Karpfen, Glees und Gift im Bauch
wolln?«
Frau Biedermann-Beifuß war der Ohnmacht nahe. Diese Sprache! Sie beschloss ihre Konversationsversuche abrupt zu beenden, stand auf und machte sich auf den Heimweg. »Do ham’s schdudierd, die Breißn«, merkte die Retta an, »abber do sigsd wie weid dass kumma. Ned amol Deidsch kannsd mid denna redn!« Dann wanden sich die beiden aktuelleren Themen zu.
»Wos maansdn edz du, zu der Babsdredn vorm deidschn Bundesdooch?«, wollte die Retta wissen.
»Edz her mer fei auf«, kam die Antwort, »wos haddn der alde Daggl vor di Bolidiger iebern Euro-Reddungsschirm zu redn? Mier wolln doch a ned in Rom, in sein Waddigaan, vom Balgoon am Bedersbladz zu di Gleibichn ieber die Aischgrinder Schbieglkarbfn odder die frängischn Schäuferli redn. Soll’er doch sei Schadskammer aufmachn, der Babsd und denna arme Griechn wos abgebn, vo seim vieln Geld. Der kann aa bloß bleed daherredn.«
Die beiden wurden in ihrer weiteren Unterhaltung unterbrochen. Die Blaskapelle im Gefolge die Kirchweihburschen mit ihren Mädchen trafen zum »Betzn raustanzen« ein. Die Kirchweihmädchen hatten ihren männlichen Partnern weiße Schürzen angelegt, welche mit roten Bändern geschmückt waren. Der junge Mann des voranschreitenden Pärchens hielt einen kräftigen Birkenzweig – der die Maienrute symbolisieren sollte – in der Hand. Der Zweig war, wie die Krone des Kirchweihbaumes, mit buntem Krepppapier geschmückt.
Von der Blaskapelle mit einem rhythmischen k Dahumbdada, dahumbdada, dahumbdada angeführt, zogen die achtzehn jungen Paare in die Mitte des kleinen Platzes und begannen ihren Marsch rund um den hohen Kirchweihbaum. Auf einem Tisch, der am Stamm der mächtigen Fichte stand, tickte, unter einem roten Tuch versteckt, ein überdimensionaler Wecker. Seine Alarmzeit war auf eine gewisse Uhrzeit eingestellt. Die Pärchen umkreisten den Kirchweihbaum, und bei jeder vollzogenen Runde wurde die Maienrute an den Burschen des nachfolgenden Pärchens weitergegeben. Wehe dem jungen Mann, der den Birkenzweig in Händen hielt, wenn der Wecker Alarm schlug. Er wurde zwar zum Sieger gekürt und durfte mit seiner Partnerin den Kirchweihwalzer tanzen, aber er übernahm auch große Verpflichtungen. So schrieb es die Tradition vor. Er musste die ganze Bande der Kirchweihburschen und -mädchen ins Festzelt einladen und selbstverständlich die Zeche übernehmen. Damit die ganze Zeremonie des »Betzn rausdanzen« nicht zu langweilig wurde, griffen die Kirchweihburschen zu den dargereichten Maßkrügen und stimmten während ihrer Umrundungen ihre schier unerschöpflichen Kirchweihlieder an:
k Mei Vadder hads gsachd und mei Mudder sachds aa,
edz is der Bu groß, edz brauchd’er a Fraa.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k Iech wolld iech wär im Himml drobn und hädd a Fäßla Bier,
iech hogged mi ind Wolgn nei und saufed wie a Schdier.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k A alde Fraa mid Dregg ogschmierd, mid Federn ieberzugn,
an Federwisch nei’n Orsch neigschdegd, do is des Luder gflugn.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k Frieh um halba Siema, do schdehd mer scho der Riema,
schdehd mer do der Riema ned, is aa ned halba Siema.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k Wos is denn do drinna, wos schaud denn do raus,
a schwarzbraunes Bier und dees saufmer gor aus.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k Der Bfarrer vo Schbeier hat blecherne Eier,
wos maansd wie des glimberd, wenn der amol bimberd.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k Mier ham hald an Fehler in unserer Gmaa,
die Kergn is zu groß, des Werdshaus zu klaa.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
k Dord drobn aufn Bergla, do gehd a Wech lings,
Do hoggd unser Bfarrer, bfui Deifl do schdingds.
Hollariehrei di jo! Hollariehrei di jo!
Eine halbe Stunde ging das so, und der Birkenzweig wurde Runde um Runde weitergegeben.
Endlich, um viertel vor sechs, schepperte der Wecker unter dem roten Tuch. Alois Holzheimer und Gustav Haeberle sprangen auf und klatschten dem Siegerpaar Beifall. Das »Hörnchen« auf Gustavs Stirn hatte zwischenzeitlich verschiedene Farben angenommen. Momentan leuchtete es dunkelrot bis blau-lila und pochte, als wäre eine kleine, automatische Trommel eingebaut.
Kunni und Retta unterhielten sich über längst vergangene Zeiten. Damals, als sie noch Kirchweihmädchen und selbst um den Baum gezogen waren. »Dees woarn nu ganz andere Zeidn, wie heidzudooch«, erinnerte sich die Kunni. »Domals, wie mei
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