Karpfen, Glees und Gift im Bauch
schallte es über den Weiher hinweg. »Fraali! Wos solledn mier ohne dees Zuuchnedz machen?« »Iech hobb ja bloß gfraachd!« Klaus Baumüller, der Teichwirt, war mit seinen Helfern und Gerätschaften angerückt. Heute wollten sie den Weiher abfischen. Der Wasserablauf am Mönch war bereits vor Stunden geöffnet worden. Auf die Männer wartete echte Knochenarbeit. Die anstrengendste Arbeit stand ihnen bevor, wenn die Fische soweit zusammengetrieben waren, dass die eigentliche Ernte beginnen konnte und die glitschigen Leiber in Wannen aus dem Wasser zu den Transportbehältern getragen werden mussten. Noch war es nicht soweit. Noch machte sich Klaus Baumüller Sorgen, dass das Wasser richtig – nicht zu schnell und nicht zu langsam – ablief. Reichte der Sauerstoffvorrat in den Transportbehältern? Wie hatten sich die Fische das Jahr über entwickelt? Kamen alle Helfer, und hielt das Wetter? Das waren die Fragen, die ihm momentan durch den Kopf gingen. Die Männer warteten, bis der Teich fischig war. Bald war es soweit, dann konnte der Wasserablauf unterbrochen werden. Das Wasser durfte nicht zu hoch und nicht zu tief stehen, und die Fische durften nicht zu dicht zusammengedrängt werden, bis sie sich in der sauberen Fischsammelgrube tummelten. Vorsichtiges und bedachtsames Vorgehen war angesagt. Aber die Männer machten diese Arbeit nicht zum ersten Mal. Sie waren Profis. Zögerlich warf die Sonne nun ihre ersten Strahlen über die Baumspitzen des nahen Waldes. Noch immer stiegen leichte Nebelschwaden über der braunen Wasseroberfläche auf. Die Männer machten sich bereit und stiegen in ihre hüfthohen Stiefelschürzen. Einer nach dem anderen stieg in das modrig riechende Wasser, das lange Zugnetz in den Händen haltend. Klaus Baumüller spürte, wie er bis zu den Waden in den morastigen Untergrund des Weihers einsank und sich der schwarze Schlamm sofort um seine Stiefel schloss. Mit jedem Schritt, den er unternahm, blubberten kleine Gasbläschen an die schmutzige Oberfläche und zerplatzten wie winzige Seifenblasen. Die Schritte der Männer, die sich in einer langen Reihe aufstellten, hatten den schlammigen Untergrund aufgewirbelt. War das Wasser vorher trüb-braun, so hatte es sich zwischenzeitlich in ein übelriechendes, modriges Schwarz verwandelt. Klaus Baumüller spürte die Kälte durch seine Stiefelschürze. Langsam, Schritt für Schritt, zogen die Männer das lange Netz nun durch das Wasser. Vorsichtig setzten sie einen Fuß vor den anderen, zogen den rechten Stiefel aus dem modrigen Schlamm, holten schrittweise aus, und zogen den linken Stiefel nach. Die glühende Scheibe der Sonne stand nun in Gänze über den Baumwipfeln. Die Fische fühlten sich in ihrer Morgenruhe gestört. Sie spürten, dass sie zusammengetrieben wurden. Schon schnellten die ersten silbrigen Leiber aus der Wasseroberfläche, um gleich darauf wieder in den trüben, von den Stiefeln aufgewühlten, morastigen Fluten zu entschwinden. Die Männer schwitzten, trotz der noch morgendlichen, feuchten Kühle. Ideales Wetter fürs Abfischen. In ihren Gedanken überlegten sie, wie oft sie heute das Netz durch den Weiher ziehen mussten, bevor alle Fische gefangen sein würden. Eine harte Tagesarbeit stand ihnen bevor.
Es war um die Mittagszeit, das Netz war bereits mehrere Male durch das Wasser gezogen, und auch der Wasserstand des Weihers war deutlich weiter abgesenkt worden, als einer der Männer, es war Benno Amon, der Bruder von Susanne Amon, die Hand hob und über die Wasseroberfläche rief: »Schdobb! Do hängd was Gewaldiges im Nedz. Kann mier amol aaner helfn?« Klaus Baumüller stand in der Nähe. »Ward a weng, iech kumm gleich!« »Benno, was hasdn gfangd?«, rief einer, der weiter zum Ufer stand. »An Waller?« Die anderen lachten und waren für die kurze Pause nicht undankbar. »Naa, wenn scho, dann a Grogodiel. Und wos fier aans!«, rief Benno Amon zurück. »Wasd du scho, wos do im Nedz hängd?«, wollte Klaus Baumüller wissen, als er Benno erreicht hatte. »Naa, bis edz ned. Iech waas bloß, dass dees wos Gressers und Schwerers sei muss.« Die beiden zogen gemeinsam an dem Netz, um ihren Fang einzuholen. Ein schwarzes Etwas ragte aus dem Weiher, von morastigem Schlamm bedeckt. Doch es schien, als wäre dies nur die Spitze des Eisbergs. Je öfters und kräftiger die beiden Männer an dem Netz zogen, desto mehr gab der Breitweiher sein Geheimnis frei. Die anderen Helfer standen im Wasser und warteten gespannt. Zwei hatten sich
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