Karpfen, Glees und Gift im Bauch
schönes Pölsterchen geschaffen, und die monatliche Rente konnte er auch nicht aufbrauchen. Mit seinem Audi A 4 unternahm er häufige Ausflüge in die nähere Umgebung. Manchmal allein, manchmal gemeinsam mit seinen Stammtischkollegen Roland Sprottenklee, Hanni Müller und Wastl Schaub. Das kleine, mittelalterliche Städtchen Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl, die Kaiserstadt Nürnberg, die Fränkische Schweiz mit ihren bizarren Felsformationen und Tropfsteinhöhlen und die Kulturstadt Bamberg standen immer wieder auf ihrem Besuchsprogramm. In der warmen Jahreszeit genossen die vier häufig die Nähe der einheimischen Bierkeller, bei einer deftigen Brotzeit und dem süffigen Kellerbier.
Mit der Zeit gefiel ihm auch seine Vermieterin immer besser. Okay, sie war einige Jährchen älter als er, aber sie war für ihr Alter eine immer noch attraktiv aussehende Frau mit einer guten Figur. Leider wollte sie von einer intensiveren, persönlichen Beziehung nichts wissen. Noch nicht. Aber, vielleicht war das nur eine Frage der Zeit. Manchmal überkam es ihn einfach noch, und er dachte mit Wehmut an seine Erlebnisse mit den Frauen auf allen fünf Kontinenten dieser Welt.
Letztes Jahr, im Juni, überkamen ihn mal wieder eindeutige Gefühle, und er gab in seinen Computer den Suchbegriff »Swinger-Club« ein. Überraschenderweise stieß er auf den Club Larissa in Tennenlohe. Also, machte er sich an einem Samstagabend auf den Weg. Es kostete ihm schon ein wenig Überwindung in das Etablissement einzutreten. Als er in seinem knappen Leoparden-Unterhöschen einige Zeit an der Bar saß, machte sich die vierunddreißigjährige Lisa, dieser steile Zahn, an ihn heran. Sie gefiel ihm mit ihren langen, blonden Haaren und ihrer graziösen Figur. Aber es stellte sich sehr bald heraus, dass sie ausschließlich auf sein Geld aus war und zudem noch Höchstleistungen erwartete, zu denen er nicht mehr in der Lage war. Er verließ den Club nach einer Stunde und kaufte sich am nächsten Tag die wunderbaren blauen Pillen, um möglichen zukünftigen weiblichen Erwartungshaltungen vorzubeugen. Besser man ist immer gewappnet.
Natürlich waren Retta Bauer die Annäherungsversuche ihres Untermieters nicht entgangen. Zeitweise hatte sie innerlich mit sich gekämpft, es nicht doch noch einmal zu versuchen. Es hatte ihr schon geschmeichelt, als Dirk meinte, sie könne durchaus noch reizvolle Unterwäsche tragen – mit ihrer Figur! Doch dann hatte sie es sich doch anders überlegt. Ein Reser reichte ihr im Leben. Sie wollte ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben. Gute, freundschaftliche Beziehungen okay, ein bisschen flirten, auch okay, aber mehr nicht! Für heute hatte sie ihn zu einem Waldspaziergang animiert. Pilze suchen! Dirk war sofort Feuer und Flamme. Als er vernahm, dass Kunigunde Holzmann auch mit von der Partie sein würde, schmolz seine Begeisterung dahin. »Ka Sorch, Dirk«, beschwichtigte ihn Retta, »du wassd, dass die Kunni nemmer so guud laafn kann. Mier foahrn in die Näh vo dem Braadweiher. Die Kunni will goar ned in den Wald nei. Die blabd außen in der Sunna und laffd a weng um die Weiher rum. Mier zwaa genga Bilsn suchn und wemmer welche finna, gibdsis heid zum Abendessn.« Dirk Loos war beschwichtigt. So hatte er doch Gelegenheit seiner Vermieterin das eine oder andere Kompliment zukommen zu lassen. Als sie in den Audi einstiegen, legte er los. »Deine Bluse, Retta«, schleimte er, »ich muss schon sagen, ein Gedicht! Diese kräftigen Farben machen dich mindestens um zehn Jahre jünger. Könnte durchaus etwas durchsichtiger sein!« Kunigunde Holzmann verdrehte die Augen und zwängte ihre fünfundachtzig Kilogramm auf den Beifahrersitz. Zwar wäre der Breitweiher auch zu Fuß bequem erreichbar gewesen, aber mit Kunnis Rollator über Stock und Stein zu hopsen, machte auch keine Freude.
Sie waren auf holprigen Feldwegen unterwegs und der Audi A 4war bereits zwei Mal mit dem Bodenblech aufgestreift. »Edz gleich lings und dann nu hunderd Meder grod aus«, kommandierte Retta vom Rücksitz aus. »Do vorn kannsd bargn, Dirg!« Der Wagen kam zum Stillstand. Retta sprang wie ein junges Reh aus dem Wagen, einen großen Weidenkorb in den Händen haltend. Kunni wälzte mühsam ihre Schäuferla-Rettungsringe ins Freie. »Iech bleib do und laaf a weng um die Weiher rum, und iehr zwaa schaud amol, dass er dees Abendessen zamm grichd! In annerhalb Schdundn dreffmer uns widder«, hatte Kunni das Kommando übernommen. Dirk und Retta hüpften
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