Karpfen, Glees und Gift im Bauch
auszeichnen. Er wünschte sich einen Mitarbeiter, der, genau wie er, Dinge direkt ansprach, ohne um den heißen Brei herumzureden und in der Lage war, die Herzen der Landeshauptstadt im Sturm zu erobern. Außerdem sollte er auch mit dem gewöhnungsbedürftigen Kulturgut der widerspenstigen Franken vertraut sein, diesem renitenten Volksstamm, der etwas nördlich der Altmühl beheimatet ist und immer wieder Hetzkampagnen gegen die Hauptstadt mit Herz führte. Jupp Hochleitner stand auf dem Balkon des Münchner Rathauses und winkte seinen begeisterten Anhängern unten auf dem Marienplatz zu. Er sprach in einer Direktheit, wie sie kein anderer besser hätte ausdrücken können: »Liebe Röttenb …, äh Münchner, iech soch, wossi deng!« Begeisterte »Bravo-Rufe« aus Tausenden von Kehlen schallten vom Marienplatz zu ihm herauf. »Und iech deng, dass mier als Allererschdes die ausländischn Bezeichnunga unserer öffendlichn Einrichdunga aus unserm Schdaddbild, wos soch i, aus ganz Bayern, eliminiern solldn! Wenn iech in der Schdadd underwegs bin und amol klaa muss, dann geh iech doch ned WC-eln odder toilettieren odder gor pissoiren. Na, iech geh einfach biesln. Und deswegn wern mier die diesbezüglichen, öffendlichen Einrichdungen in Brunzheisla umbenenna.« Tosender Applaus brandete auf dem Marienplatz auf und brach sich als Echo an den umstehenden Häuserfassaden. » Biesln, Bingln, Brunzn!« rief es von überall her. Als Jupp Hochleitner kurzfristig aufwachte, hörte er den politisch geschlagenen und scheidenden Horst Seehofer sagen: »Die Idee hasd du aus unserm Bardeibrogramm 1950 geglaud!«
Ewald Sauer, der Eigentümer der örtlichen Brauerei, träumte bereits von der Kirchweih 2012. Soeben hatte ein kräftiger Herbstwind den fünfzig Meter hohen Kirchweih-Mammutbaum umgeblasen. Wie in Zeitlupe stürzte dieser auf das steil aufragende Dach seines Sudhauses. Dachziegel splitterten, morsche Dachlatten zerbrachen knarzend, und die Backsteine des Schornsteins, auf dem das Storchennest thronte, fielen scheppernd auf die Bratheringsbüchse, welche die Kirchweihburschen seit Jahren zum »Geger rausschlogn« benutzten. Die Burschen ließen sich wegen des umgestürzten Baumes nicht von ihrem »Bedzn rausdanzn« abbringen. Grölend sangen sie ihre Kirchweihlieder:
k Der Wind had gscheid bloosn, der Bamm schderzd aufs Dach,
Do sogn die Hoosn, dees woar fei a Krach.
Hollariehrei di joh! Hollariehrei di joh!
k Der Brauerei Sauer, der fehld edz der Schlood,
Do sachd dann der Brauer, dees is abber schood!
Hollariehrei di joh! Hollariehrei di joh!
k Wenn’d Schderch widder kumma, do schauas dann bleed,
Iiehr Orsch werdna brumma, weil ka Schlood mehr do schdehd.
Hollariehrei di joh! Hollariehrei di joh!
Auch in der großen Kreisstadt Waiblingen hing der Vollmond wie ein beleuchteter Riesen-Kloß über dem Hochwachtturm, dem Wahrzeichen der Stadt, und schien in das Schlafzimmer von Gustav und Doris Haeberle , Am Stadtgraben 27 . In seinen Träumen lag der blasse Gustav am Pool eines fernen Landes, in der sonnenverwöhnten Karibik. Er war von den Kandidatinnen der Miss World Wahl 2011 umringt. Die Siegerin aus Venezuela kam mit wiegenden Schritten auf ihn zu und legte gerade ihr vollgefülltes Bikini-Oberteil ab. In diesem Moment erhielt er einen schmerzhaften Ellenbogenstoß von einem Hängebauchschwein, welches neben ihm im Ehebett lag und furzte, dass die Deckenlampe ins Schaukeln geriet. Als sich seine Frau wieder beruhigt hatte und schnarchend weiterschlief, bot er der schokoladenbraunen Schönheit einen Platz auf seiner Liege an. Vergebens. Er träumte fortan nur noch von rostigen Nägeln, stinkenden Zigarren, schmutzigen Toilettenschüsseln und von fränkischen Ureinwohnern, die ihn kopfunter in fränkischen Zwetschgenschnaps tauchten.
Einladung
Kunni und Retta hatten ihren privaten Kleinkrieg schon längst wieder vergessen. Während Retta nun stolze Besitzerin dreier nagelneuer String-Tangas war (»Dees is a ganz neis Gfühl, socher der!), hatte Kunni außer den Tic Tacs noch vier mittelgroße Schäuferla eingekauft. Am Spätnachmittag rief sie ihren Neffen Gerald Fuchs an und überraschte ihn mit der Aussage, dass sie nun den Mörder von Johann Geldmacher kenne. Wenn er nicht ganz dumm sterben wolle, sollte er am Sonntag zum Schäuferla-Essen vorbei kommen. Seine nette Assistentin, die Sandra Millberger, könne er gerne mitbringen. »Dann grichd die Fraa aa endlich aa amol was Gscheids zum Essen«,
Weitere Kostenlose Bücher