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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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ersten Mal zu mir sagte: »Überlegen Sie sich das mit dem Studium gut. Sie investieren nochmals eine Menge Zeit. In Psychologie und Theologie studieren sie sogar mindestens zehn Semester. Sie sind dann schon über Mitte vierzig. Brauchen Sie wirklich ein Studium? Reichen Ihnen bei Ihrer Berufserfahrung nicht auch Zusatzqualifikationen über Weiterbildungsprojekte?« Sie empfahl mir eine Ausbildung an einem Institut, das sich an die Universität anlehnte. Die Ausbildung ging in eine ähnliche Richtung wie die vom Weinheimer Institut, doch der methodische Ansatz unterschied sich. Auch bei einer weiteren Studienberatung in der Fachhochschule für Sozialwesen bekam ich die gleichen Hinweise. Die Ratschläge dieser Menschen machten mich nachdenklich. Dazu kam, dass ich bei meinen Besuchen auf dem Uni- und Fachhochschulgelände natürlich von Studenten »umzingelt« war. Sie waren alle noch so verdammt jung, ich war im Schnitt mindestens 20 Jahre älter. Wollte ich zukünftig wirklich den überwiegenden Teil des Tages mit deutlich jüngeren Menschen zusammen sein? Sie interessierten sich doch für ganz andere Themen, standen an einem völlig anderen Lebensabschnitt als ich. Wollte ich tatsächlich noch mal die Schulbank drücken? Ich hatte damals doch auch auf das ursprünglich geplante Studium nach meiner Lehre verzichtet, weil mir das Arbeiten an sich gut gefiel. Warum sollte das jetzt anders sein? Zudem stresste mich, dass die Anmeldefristen für die verschiedenen Studiengänge alle bald abliefen. Wenn ich also im Herbstsemester anfangen wollte, musste ich mich beeilen. Klar, ich hätte auf jeden Fall einen Studienplatz bekommen, meine Berufszeit würde als Wartezeit angerechnet, aber ich fühlte mich zeitlich total unter Druck gesetzt. Was wollte ich wirklich? Wusste ich wirklich schon, in welche konkrete Richtung es gehen sollte? Ein weiteres Gespräch bei dem Leiter der Diözesanstelle Berufe der Kirche des Bistums Münster machte mir dann deutlich, dass ich als Frau in meinem Alter mit einem Theologiestudium keinerlei Chancen mehr hatte. Natürlich hatte ich mich aus meinem Glauben heraus für das Studium interessiert, aber meinen Lebensunterhalt musste ich anschließend damit ebenso verdienen können. Das Thema Studium hakte ich innerlich immer mehr ab. Noch nicht einmal zwei Monate seit meiner Rückkehr waren vergangen und ich sollte schon alle Antworten haben, wie ich mein Leben zukünftig leben wollte?
    Die Richtung, über die ich nachdachte, war die richtige, das bezweifelte ich nicht. Auch wusste ich definitiv, dass ich einen Beruf finden wollte, der es mir erlaubte, als Mutter weiterhin arbeiten zu können. Ja, der Wunsch nach einem Kind war immer noch ungebrochen. Gu wünschte es sich ebenso sehr. Ich machte mir zwar zwischendurch Gedanken, ob Gu und ich das in unserer Situation auch finanziell schaffen würden, die Sehnsucht war aber einfach da. Mein Verstand wägte ab, mein Herz sagte aber deutlich Ja. Zeit hatte ich sowieso nicht mehr zu verlieren. Mit einundvierzig war es höchste Eisenbahn, wenn es überhaupt noch klappen sollte.
    So viele Überlegungen jagten immer wieder durch meinen Kopf. Innere Ruhe dabei zu finden, war manchmal sehr schwierig. Doch durch meine Erfahrungen auf dem Jakobsweg hatte ich verstanden, wie wichtig es ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Mir selbst Pausen zu gönnen, bedeutete, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. So würden sie irgendwann zur Beruhigung kommen. Platz würde dann entstehen, um mein Herz sprechen zu hören. Eigentlich hatte ich ja wesentlich mehr Zeit als früher, um mir diesen Freiraum zu geben. Trotzdem tat ich mich damit schwer. Ständig musste ich gegen das Gefühl ankämpfen, für meine neue berufliche Zukunft nicht genug zu tun. Nicht nur der Erwartungsdruck von außen, sondern mein Anspruch an mich selbst, führte oft zu großer innerer Anspannung. Deshalb versuchte ich, mir immer wieder bewusst Inseln zu schaffen. Oft ging ich in den Dom, in die kleine Turmkapelle, oder in die Kirche der Kapuziner, entweder ganz normal zur Sonntagsmesse oder zwischendurch, irgendwann in der Woche, mitten am Tag für ein kurzes Gebet und ein schlichtes Dasitzen. Einfach, um zu sein. Manchmal setzte ich mich auf mein Fahrrad und fuhr heraus aus Münster, hinein in die Natur. Ließ mir den Wind durch meine Haare wehen und meinen Kopf durchpusten, berauschte mich an allem, was mir Mutter Erde bot. Und ich ging in meinen Erinnerungen immer wieder auf dem

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