Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
Vom Netzwerk:
gab es nur drei Toiletten, diese waren aber wie die Duschen tipptopp sauber und relativ neu.
    Wir wollten irgendwo in der Sonne sitzen, ein kühles Bier trinken und uns dabei entspannen. Nach Sightseeing stand uns, wie so oft, gar nicht der Sinn, Hans-Jakob schloss sich uns an. Nicht unweit von der Herberge, nah an der Brücke, die wir überquert hatten, lagen einladend aussehende Cafés und Bars. Unter einem Sonnenschirm sitzend zischten wir uns ein cerveza, bestellten beim zweiten Bier dann pulpo, Tintenfische sowie morcilla, eine Art Blutwurst, dazu. Wir ließen es uns richtig gut gehen und genossen das Faulsein. Kurze Zeit später gesellten sich Michael und Malin noch zu uns. Hans-Jakob kannte die beiden nur vom Sehen. Unsere Unterhaltung wechselte nun vom Deutschen ins Englische. Michael hatte große Probleme beim Laufen, sein Knie schmerzte sehr, er zog sein Bein schon sichtlich nach. Er nahm an, dass seine Schuhe daran schuld waren, und wollte sich später in Nájera ein Paar neue Wanderschuhe kaufen. Malin und Michael erzählten uns von ihrer Arbeit und von dem, was sie zu Hause erwartete. Malin hatte eine Stelle in Aussicht und wartete auf Rückmeldung. Regelmäßig checkte sie ihre Mails und hatte ihr Handy immer auf Stand-by. Es war wichtig für beide, dass sie spätestens um den 20.-21. Juni in Santiago ankamen. Ein eng gesteckter Zeitplan.
    Nach zwei Stunden angeregter Unterhaltung gingen wir etwas müde zurück zur Herberge. Auf dem Weg dorthin tauchte plötzlich vor uns eine kleine, sehr zerbrechlich wirkende Frau auf. Sie ging deutlich nach vorn gebeugt und schwankte beim Gehen hin und her. Ihr Rucksack, sie war tatsächlich eine Pilgerin, hing schräg auf ihrem Rücken, an ihrem Handgelenk baumelte der Schlafsack. Wir beschleunigten unsere Schritte, um sie einzuholen. Es war eine Frau, vielleicht so um die sechzig, die auf uns völlig abgekämpft wirkte und todmüde aussah. Wir boten ihr unsere Hilfe an, die sie aber ablehnte. Wie sich herausstellte, war sie Deutsche. Sie fragte nur: »Ist die Herberge noch weit weg?« Wir versicherten ihr: »Keine hundert Meter mehr.« Sie wollte partout keine Hilfe, sodass wir sie allein ließen, aber für alle Fälle in Sichtweite blieben. Das war unsere erste Begegnung mit Elisabeth aus München.
    Im Schlafsaal herrschte emsige Geschäftigkeit. Immer noch kamen Nachzügler an, die sich einrichteten. Andere packten ihre Rucksäcke neu, einige kümmerten sich um ihre Blasen, wieder andere massierten ihre müden Glieder. In der Küche saßen Pilger und diskutierten. Später am Abend hatten wir uns mit Hans-Jakob zum Essen verabredet. Wir waren gerne mit ihm zusammen, die Abende waren kurzweilig und wohltuend. Er war für uns bereits zu einem väterlichen Freund und Gefährten geworden. Lore-Lilith Boden hat sehr feinsinnig zum Ausdruck gebracht, was Menschen wie Hans-Jakob für andere auch schon nach kurzer Zeit bedeuten können: »Jede Begegnung, die unsere Seele berührt, hinterlässt eine Spur, die nie ganz verweht.«
     
     

9. Pilgertag, Mittwoch, 31. Mai 2006
    Nájera - Grañón
     
    Die Nacht endete um 6.30 Uhr, für unsere Verhältnisse waren wir erst spät aufgewacht. Gu und ich hatten tief und fest geschlafen, wir fühlten uns frisch und ausgeruht. Viele Betten waren bereits leer, die meisten befanden sich im Aufbruch. Wir packten unsere Rucksäcke, ausnahmsweise nicht im Dunkeln, draußen war der Tag bereits angebrochen. Es war ein komisches Gefühl, diesmal nicht zu den ersten, sondern zu den letzten Pilgern zu gehören, die die Herberge verließen. Ich fühlte mich getrieben, so als wenn ich keine Zeit hätte. Der Impuls zu gehen wurde immer stärker, ich wollte endlich los. Hinter den anderen her, ich wollte nicht als eine der Letzten ankommen. Was war das, was mich innerlich so antrieb? Ehrgeiz, fehlende innere Ruhe, die geänderte Gewohnheit des frühen Laufens, Neugier auf den Tag und seine vor uns liegenden Ereignisse? Ich denke, es war eine Mischung aus allem. Warum sollte es auf dem Weg anders sein als zu Hause? Hier war ich doch die gleiche Sabine wie bisher, oder?
    Als wir gegen 7.15 Uhr die Herberge gerade verlassen wollten, wurde es auf einmal unruhig. Paolo, der italienische junge Mann mit den Rastalocken, der uns in der Herbergsküche von Logroño aufgefallen war, kam aufgeregt aus dem Raum, in dem wir unsere Schuhe unterstellen mussten. Im Schlafsaal waren keine Schuhe erlaubt. Er hatte trotz Suche seine Schuhe nicht gefunden. »Wo sind

Weitere Kostenlose Bücher