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Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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allerdings anschließend regelmäßig erst die farbliche Markierung zu vernachlässigen und schließlich es ganz zu unterlassen, seine Termine zu erfassen. Ungeachtet dessen dienten die Taschenkalender weiter als Notizbuch.
    Marie verfolgte seine Mitschrift und animierte ihn, mit der Aktenrecherche zu beginnen. Sie sei von allen möglichen Spuren die einfachste.
    Er ging mit Marie bis zur U-Bahnstation Städtische Kliniken und begleitete sie bis zum Bahnsteig. Die außergewöhnliche Wärme der zurückliegenden Tage lastete drückend im Gewölbe und mischte sich in der verbrauchten Luft mit dem teerigen Geruch der Schwellen. Still gingen sie bis zur Mitte des Bahnsteigs und warteten in eigentümlicher Vertrautheit. Die Zeit, sich ihr mit ertastenden Fragen zu nähern, war nutzlos verstrichen, dennoch bedauerte er es nicht.
    Die U-Bahn fuhr ein. Als sie einstieg, bedankte er sich für die Zeit, die sie ihm geschenkt hatte. Er sah dem Zug nach, bis sich die roten Lichter in der schwarzen Röhre verloren und das Singen der Schienen verstummt war.
    In die Kanzlei zurückgekehrt, blätterte er durch sämtliche Rosenboom-Akten, die er in 307 aufbewahrte. Die Vorgänge waren ihm bekannt, der Name Weinstein seiner Erinnerung nach in keinem Zusammenhang erwähnt, gleichwohl prüfte er sorgfältig alle Akten und die in ihren Einschlägen verstauten Unterlagen, derer er bisher keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte.
    Er fand nichts.

    Lisa berichtete er von einem langweiligen Ortstermin in einer Bausache, nichts, was der Rede wert sei, und er murmelte etwas von mangelhaft ausgeführten Drainagen und Verstößen gegen DIN-Vorschriften. Ein Fall, der sich nicht rechne, weil der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Gebühren stehe. Ein Fall, den die Kanzlei mit durchziehe. Er winkte überdrüssig ab.
    Lisa ließ ihn ihren Bauch fühlen und dann in die Kataloge blicken, die sie tagsüber im Büro gewälzt hatte. Er studierte Badezimmerausstattungen, Kücheneinrichtungen und einen italienischen Prospekt über Lichtdesign. Die Hochglanzbroschüren entführten ihn in eine neue Welt. Staunend verweilte er bei einzelnen Fotos, die sie angekreuzt hatte.
    »Unser Architekt wird gute Preise aushandeln«, meinte sie, und er erwiderte, dass er den Architekten in die Pflicht nehmen werde. Ihr gefiel seine Entschlossenheit, die sie zärtlich belohnte, und er demonstrierte Entschlossenheit, als folgte er einer Regieanweisung, die in bestimmten Abständen ein solches Signal von ihm forderte. Sie hatten ihren Weg gefunden, und er beschritt ihn in der Gewissheit, dass der vorgezeichnete Weg für sie zum Besten sei. In diesen Momenten war ihm Marie fern. Sie war jenseits seiner gefügten Welt. Doch wenn er an sie dachte, beschämte ihn, dass er sich von ihr verleiten ließ, Tassilo Rosenbooms Geheimnis zu erforschen und Verrat an ihm zu begehen. Rosenboom gehörte zu seiner diesseitigen Welt, er speiste sie mit saftigen Honoraren, und Knobel war wieder versucht, die Angelegenheit Weinstein auf sich beruhen zu lassen. Seine Überzeugungen wechselten, ohne dass es ihn quälte, denn sie konkurrierten nicht miteinander, schließlich waren sie keinem Prinzip verpflichtet, dass Geradlinigkeit anmahnte und Konsequenz einforderte. Er hätte nur seine Nachforschungen einstellen müssen. Er brauchte nur zu unterlassen.

27
    Am Morgen des 12. Oktober empfing ihn Frau Klabunde mit verheultem Gesicht in ihrem kleinen Sekretariat. Der Herr Doktor Reitinger sei letzte Nacht nach einem Herzstillstand verstorben.
    Knobel erschrak heftig. Unwillkürlich umgriff er die kleine rundliche Frau und strich ihr sanft über den Rücken.
    Frau Klabunde heulte daraufhin noch mehr und wollte gar nicht mehr aufhören.
    Hilflos ließ er von ihr ab und ließ sie auf einen Stuhl sacken. Knobel beeilte sich, ihr eine Tasse Kaffee zu kochen. Umständlich bediente er die Kaffeemaschine, kramte in einem kleinen Schrank nach einer Tasse und Zucker und arbeitete gegen Frau Klabundes nicht enden wollendes Heulen an.
    »Sein Herz«, stieß sie hervor, »sein Herz! Er hatte so ein gutes Herz!«
    Er lief verstört auf und ab, sehnte das Gluckern der Kaffeemaschine herbei, fragte nach dem Warum , ohne darauf eine Antwort zu finden, und verfiel in lähmendes Schweigen.
    Knobel suchte nach Taschentüchern und stahl sich aus dem Sekretariat in Dr. Reitingers Büro. Als sein Blick auf den aufgeräumten Schreibtisch und die Miró-Drucke an der Wand fiel, musste er

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