Karrieresprung
Möller, Klaus Marks, Susi Henske, Sabine Schriewer, Diana Seelmeyer, Thomas Stapperfend, Andrea Adamik, Ingrun Hoffmann, Thomas Höch, Andrea Wassermeyer, Frank Dudda, Kerstin Köhn, Christian Scherney, Meike Großpietsch, Saskia Busch, Norbert Kinzel, Andrea Beatrix und so weiter. Es war ein Blick in ihre Welt, ihre Freunde, Bekannten, Lerngemeinschaften, die sich in ihrer Wohnung trafen, paukten oder nur plauderten, Pizza backten und Wein tranken. In der Summe mehr weibliche als männliche Namen. Das beruhigte ihn. Seine nebulöse Eifersucht analysierte die Namen der männlichen Seminarteilnehmer. Er dachte an die eigene Studentenzeit zurück und wollte sie nicht ein zweites Mal erleben. Knobel ging in die Kantine, setzte sich in eine Ecke und befreite den Tisch von bunten Flugblättern und stehen gelassenen Pappbechern. Dann schrieb er Marie einen kurzen Brief. Er bot nichts an, keine Einladung auf eine Tasse Kaffee oder zum Abendessen.
Seine Entschuldigung war schnörkellos und anwaltlich nüchtern. Ein Bekenntnis seiner Feigheit. Kein Liebesbrief, sondern ein Rückblick auf den Spaziergang im Westpark, enttäuschtes Vertrauen, Vertrauen auf ein Wiedersehen. Er schrieb die Zeilen in eine Nische, die Lisa niemals ausfüllen würde. Er verriet sie nicht, betrog sie nicht, spielte sie nicht gegeneinander aus, bemühte keine Komplimente. Lisa war ohne Komplimente und ohne Eroberungsfeldzüge seine Frau geworden, studierend, Paragraphen lernend. Schleichend waren sie in ihre Gemeinsamkeit getreten. Das Jawort in Brügge war eine Atempause auf ihrem konsequenten Weg. Überwältigt vom Augenblick hatten sie mit einem Ja auf dessen logische Fortsetzung geblickt. Seine Worte an Marie waren einfach, doch noch nie von ihm so gesagt oder geschrieben. Er beschrieb den Augenblick, schrieb den Brief ein zweites und ein drittes Mal, machte die Sätze flüssiger und die Schrift gleichmäßiger. Es sah aus wie aus einem Guss. Er schrieb ihr auch, wo er sich befand, und dass er das Institut für Germanistik an einem Tag aufgesucht hatte, an dem er sie dort nicht antreffen konnte. Es war ein Dienstag, ihr vorlesungsfreier Tag. Er schrieb ihr, dass er jetzt die Orte kennen gelernt habe, an denen sie einen Großteil ihrer Zeit verbrachte: das La dolce vita , ihre Wohnung und nun die Universität. Er hätte ihr noch mehr schreiben können, doch es blieb dabei. Als er den Brief an der Hauptpost eingeworfen hatte, fasste er in die Klappe des Briefkastens nach und vergewisserte sich, dass das Kuvert nach unten in den Kasten fiel.
30
Wenn Tassilo Rosenboom turnusmäßig die Kanzlei an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße besuchte, pflegte er erst ein längeres Gespräch mit Dr. Hübenthal in Büro 101 zu führen, bevor er anschließend seinen üblichen Gang durch die anderen Büros absolvierte, sich nach dem Befinden erkundigte und die Fragen nach seinem Befinden beantwortete.
Rosenboom hatte die Kanzlei wieder mit neuen lukrativen Firmenmandaten bedacht und bei seinem Rundgang wiederholt die »netten kleinen Sachen« angesprochen, die er soeben mit Dr. Hübenthal vorbesprochen hatte. »Mein Ärger ist Ihr Geschäft«, verkündete er immer wieder und ließ diesen Satz unbeantwortet im Raum stehen. Zwar mochte man ihm keinen Ärger wünschen, aber weitere Geschäfte wollte man trotzdem.
Mit lautem Hallo trat Rosenboom in Knobels Büro.
»Ich muss doch sehen, wo mein Anwalt abgeblieben ist. Aber ich sehe schon, mein Anwalt residiert jetzt.«
Rosenboom besichtigte ausgiebig das neue Büro, trat an die große Bücherwand, nahm einzelne Fachbücher in die Hand und stellte sie anerkennend wieder an ihren Platz zurück.
Knobel kürzte ab.
»Sie haben gewiss einen Fall für mich?«
Sein Mandant lächelte.
»Weinsteins Anwalt hat schon mit Ihnen gesprochen?«
Knobel bejahte.
»Dann wissen Sie, was Sie zu tun haben.«
Knobel spielte nervös mit einem Stift und bat Rosenboom, Platz zu nehmen.
»Herr Rosenboom!«
Seine Stimme zitterte ein wenig.
»Ihre Fälle gegen Weinstein sind merkwürdig. Als Ihr Anwalt muss ich wissen, was dahinter steckt.«
Rosenboom sah ihn verblüfft an.
»Ich habe den Eindruck, dass die Prozesse nur Schauspiel sind«, fuhr Knobel fort. »Lassen Sie mich ehrlich sein: Ich glaube, dass Sie die Prozesse verlieren müssen, und ich glaube, dass Sie von vornherein wissen, dass Sie die Prozesse verlieren müssen. Im letzten Prozess war es Ihnen sogar egal, was wir vortragen sollten. – Was will Weinstein von Ihnen?
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