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Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Bücher, die er in der Schule lesen musste, das Regal. Einiges von Hesse, sogar der Ulysses von Joyce, als Jubiläumsausgabe auf Empfehlung des Deutschlehrers gekauft und ungelesen ins Regal gestellt, Fromms Kunst des Liebens , erworben, als er mit allen anderen in der Obertertia die Liebe durchdrang, nach einigen Seiten beiseite gelegt und heute wieder gut sichtbar eingereiht, doch noch immer nicht weiter gelesen.
    Lisa hatte mehr gelesen als er. Sie entschied schnell, ob sie ein Buch lesen wollte oder nicht. Wollte sie es lesen, las sie es zügig und immer ganz durch, selbst dann, wenn es sie zu langweilen begann. Lisa hatte ihm, als sie zusammenzogen und ihr Bücherregal füllten, einige ihrer Lieblingsbücher zu lesen gegeben. Er hatte sie durchgearbeitet wie eine Hausaufgabe im Deutschunterricht und war auf Fragen zum Inhalt vorbereitet. Wirkliche Freude hatte ihm die Lektüre nicht bereitet. Doch sie fragte nie danach und so hatte er es wieder aufgegeben.
    »Wenn der Prozess so ausging, wie er ausgehen musste und wie er ausgehen sollte, dann ist das Ganze wie ein Spiel«, meinte Marie.
    Ihre Neugier erinnerte ihn an seine Frau, aber Marie war in ihrer Art jugendhafter und forschender. Lisa hatte aufgehört, entdecken zu wollen.
    Er hatte Marie die Aufgabe gestellt, das Geheimnis der Rosenboom-Prozesse zu lösen, und er merkte, dass er ihre Ideen nur abzuwarten brauchte. Die Rosenboom-Fälle gestatteten ihm, ihr unaufdringlich nah zu sein. Sie bildeten einen Fluchtpunkt, über den debattierend er mit ihr durchs Laub schlendern konnte. Wenn sie schweigend nebeneinander liefen, war es nicht bedrückend. Bei ihr belastete das Schweigen nicht.
    Sie durchkreuzten den Westpark, schlenderten ziellos von der einen Seite zur anderen, wendeten, bevor sie einen der Ausgänge erreichten und gingen manche Wege ein zweites Mal.
    »Wenn der Ausgang der Prozesse so abgesprochen war, wenn also die Prozesse nur zum Schein geführt wurden, dann muss es zwischen Weinstein und Rosenboom eine Verbindung geben, von der wir nichts wissen«, folgerte Knobel.
    Marie schüttelte den Kopf »Wir wissen aus dem Verlauf der Prozesse schon mehr: Rosenboom muss nämlich immer verlieren. – Jede Wette, dass Weinstein bald einen neuen Prozess gegen Rosenboom beginnt.«
    Er war versucht, es bei der Erledigung der Prozesse zu belassen und musste sich zugleich eingestehen, dass er sich dadurch nicht des Problems entledigen konnte.
    »Trotzdem machen die Prozesse keinen Sinn«, erwiderte er. »Wenn Weinstein meinen Mandanten in der Hand hat, wird er das Geld auch ohne Prozesse von ihm bekommen können. Mit den Gerichtsverhandlungen macht er die Erpressung ja praktisch öffentlich.«
    Es gefiel ihm, aus der Rolle des dem Mandanten ergebenen Anwalts herauszuwachsen, der sich auf die Informationen beschränkt, die ihm zugetragen wurden. Die pünktlich bezahlten Honorarrechnungen, die großzügigen zusätzlichen Stundenvergütungen, das Auto und die auf Rosenboom zurückgehende Soziierung verfingen jetzt nicht. Sie erzeugten kein schlechtes Gewissen, kein beklemmendes Gefühl der Illoyalität. Der Entschluss, die Rosenboom-Prozesse nicht auf sich beruhen zu lassen, weckte einen unbekannten Ehrgeiz. Er war nicht länger Unterlasser. Trotzdem war der mit Marie geschlossene Pakt unschuldig. Nichts verband ihn hier mit der Kanzlei oder wandte sich gegen sie. Seine Gedanken verirrten sich nicht in 101, suchten keine Rechtfertigung in einem imaginären Gespräch mit Dr. Hübenthal, keine respektheischende Kulisse, vor der er sich kleinlaut würde verantworten müssen, keine Fortsetzung einer demütigenden Beichte gegenüber den Sozien im Dubrovnik .
    Er löste sich.
    »Wo fangen wir an?«
    Seine Frage war offen, neugierig und einladend.
    Es schien, als habe sie nur auf ein Startsignal gewartet. Sie werde in Zeitungsarchiven nach Artikeln über Rosenboom stöbern, die einen Hinweis auf Weinstein eröffnen könnten. Er dagegen könne vielleicht die ihm unbekannten alten Rosenboom-Akten auf Weinstein hin durchforsten. Möglicherweise komme man auch über Rosenbooms Lebensdaten weiter. Denkbar wäre auch, dass zum Beispiel zu Ehren seines sechzigsten Geburtstags eine Chronik oder Ähnliches verfasst worden sei.
    Knobel notierte ihre Vorschläge in seinen Taschenkalender. Zu jeder Jahreswende begann er, seine Termine sorgfältig im neuen Taschenkalender zu notieren, befleißigte sich, berufliche und private Termine mit unterschiedlichen Farben zu kennzeichnen, um

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