Karrieresprung
wichtige noch fehlende Symbol seines beruflichen Erfolges.
Er ließ Lisa in die Kanzlei kommen. Sie musste nicht lange gedrängt werden. Knobel hatte sie mit der Bemerkung gelockt, dass er eine attraktive junge Frau zur Sekretärin habe.
Lisa erschien und war beruhigt zu sehen, dass die korpulente Frau Klabunde gut und gerne auf fünfzig geschätzt werden konnte.
Knobel verfolgte den belanglosen Wortwechsel zwischen den beiden Frauen durch die angelehnte Tür, dann trat er in sein Sekretariat, umarmte seine Frau und küsste sie auf die Stirn.
Frau Klabunde war ganz gerührt.
Anschließend zeigte Knobel Lisa sein Büro, fiel vor ihren Augen in den großen schwarzen Sessel hinter dem Schreibtisch und unterzeichnete die Tagespost.
Lisa sah sich zufrieden um und verglich sein Büro mit dem ihres Vaters. Sie waren etwa gleich groß.
Während er konzentriert die Briefe las und sie dann schwungvoll unterzeichnete, wartete Lisa still.
Knobel hatte seine Unterschrift perfektioniert. Das angedeutete K mündete in ein verschlungenes b , dann zog er den Stift schnell und weit nach rechts aus.
Knobel nahm einen Anruf von Weinsteins Anwalt entgegen.
Die Stimme des Kollegen hechelte.
»Es wundert mich, dass Ihr Mandant Rosenboom es so weit hat kommen lassen.«
Knobel zeigte sich erstaunt.
»Ich habe Ihrem Mandanten die Zwangsvollstreckung angekündigt, wenn er nicht fristgemäß zahlt. Die Frist ist nun über eine Woche verstrichen. Und gerade hat mich Ihr Herr Mandant angerufen und angekündigt, dass er gegen die Zwangsvollstreckung klagen werde. Es ist geradezu grotesk!«, schrie er.
»Mit welcher Klage?«
»Rosenboom behauptet, dass er auf das Urteil bereits alles gezahlt habe.«
Knobel blieb ruhig.
»Wenn er alles gezahlt hat, wird er dies nachweisen können.«
»Aber hat er nicht. Ganz ohne Zweifel.«
»Es wird sich alles aufklären«, rettete sich Knobel ins Vage.
»Hat Rosenboom vielleicht an Ihr Büro überwiesen, und ist das Geld versehentlich nicht an Herrn Weinstein beziehungsweise meine Kanzlei weitergeleitet worden?«, fragte der Kollege.
Knobel bat Frau Klabunde, dies sofort zu klären.
Schließlich kam sie mit der erwarteten Antwort zurück.
»Nein«, gab er an Weinsteins Anwalt weiter.
»Dann soll er klagen, bis er schwarz wird«, schnaubte die Stimme und beendete das Gespräch.
Lisa sah ihn besorgt an.
Er zuckte lässig mit den Schultern.
»Neue Sache, Vollstreckungsgegenklage. Herr Rosenboom hat auf ein gegen ihn ergangenes Urteil bereits gezahlt, aber der Gegner vollstreckt trotzdem. Schöner Streitwert, schnelles Geld.«
29
Die Dortmunder Universität verfügte neben ihren Hauptgebäuden in Eichlinghofen über Nebengebäude in der Innenstadt. Das Institut für Germanistik hatte sich in ein altes Gebäude an der Sonnenstraße einquartiert. Knobel trat durch eine schwere dunkle Eichentür mit ausgeleierter Klinke in eine säulengefasste Vorhalle. Der Linoleumboden war stumpf und ausgetreten. Unschlüssig folgte er den Hinweisschildern zur Studienberatung, geriet in einen Pulk Studenten, der über eine bevorstehende Klausur diskutierte. Als unbekanntes Gesicht zog er einige neugierige Blicke auf sich und lächelte verlegen zurück, las einen Aushang über die Lehrangebote in den Studiengängen Germanistische Linguistik, Germanische Mediävistik und Neuere deutsche Literaturwissenschaft und blickte in die rechts und links des Flurs gelegenen Seminarräume und Hörsäle hinein. Das Haus erinnerte ihn an seine alte Schule. Die Hörsäle waren klein und überschaubar, mit sechzig bis achtzig stufenförmig vom Dozentenpodest aus ansteigenden Holzklappsitzen. Das Haus kündete von Vorlesungen, in denen der Professor seine Studenten namentlich kennt. Kein Meer der Anonymität wie in seinen früheren Juravorlesungen, keine von Lehrstuhlassistenten herbei geschleppten Wäschekörbe mit Hunderten korrigierter Klausuren, die langwierig an die Masse verteilt werden mussten. Knobel dachte sich in eine Vorlesung in diesen kleinen Sälen hinein, fühlte die heimelige Atmosphäre im Hörsaal, während draußen der Regen aus grauen schweren Wolken an die Fenster peitschte. Er ließ sich den Flur entlang weitertreiben und gelangte zum Dekanat.
In einem Schaukasten hing die Teilnehmerliste eines Seminars über die Lexikologie des Deutschen aus. Er fand Maries Namen im oberen Drittel. Dann las er die anderen Namen, wissend, dass sie ihm unbekannt sein würden: Beate Wirtz, Reiner Grundmann, Ursulla
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