Karrieresprung
in Brechten. Ich weiß noch gut, als wir das erste Mal Rosenboom besuchten. Als wir in die Südbecke kamen und all die vornehmen Häuser sahen, sagte ich: Hier kann es nicht sein, hier nicht . Wir kannten den Namen Rosenboom zwar schon vorher. Man kennt doch die großen blauen Werkshallen im Industriegebiet und seine Lagerhallen am Kanalhafen. Überall steht in grüner Leuchtschrift sein Name drauf. Aber unseren Rosenboom brachten wir nach seinem ganzen Verhalten doch nicht mit diesem Rosenboom in Verbindung. Schließlich standen wir vor seinem Haus, es ist ja fast das bescheidenste der ganzen Straße, und meine Frau war erst von dem Reichtum in der Südbecke ganz erschrocken und dann ganz verzückt: Siehst du, der ist gar nicht so , sagte sie. Ich hatte mich gewundert, warum er mit uns zu tun haben wollte. Wir waren doch eigentlich nicht interessant. Aber Rosenboom bot sich immer wieder an. Meine Frau war von seinem ereignisreichen Leben ganz begeistert. Sie ist mir praktisch entglitten. Als ich merkte, dass sich der frisch geschiedene Herr Rosenboom nicht für uns beide, sondern nur für meine Frau interessierte, war es schon zu spät. Gegen so einen rudern Sie flussaufwärts. Irgendwann können Sie nicht mehr, und dann geht’s unaufhörlich bergab.«
Knobel glaubte nicht an ein plötzliches Bergab, einen überraschenden Verlust der Frau. Er suchte Weinsteins Mitschuld.
»Vielleicht war Ihre Liebe schon vorher verloren gegangen, und nur äußerlich blieb alles beim alten«, sagte er.
»Unsere Liebe war fest«, beharrte Weinstein. »Fest, ganz fest.«
»Also muss Rosenboom dafür büßen, dass er Ihnen die Frau weggenommen hat«, schloss Knobel.
Ihre Schritte waren in der Kälte schneller geworden. Sie hetzten über den Weg, stießen schnell auf den Friedensplatz und umrundeten das dort stehende Rathaus.
»Was haben Sie gegen ihn in der Hand?«, fragte Knobel.
Weinstein schwieg.
»Wissen Sie es wirklich nicht«, fragte er schließlich.
»Rosenboom betreibt noch andere Geschäfte. Ein Edelbordell, auch wenn er einen Strohmann vorschickt.«
Weinsteins Augen funkelten.
Knobel schüttelte ungläubig den Kopf.
»Finanziell braucht er so was doch nun wirklich nicht.«
»Möglich. Vielleicht macht es ihm ja auch nur Spaß. Vielleicht bedient er sich selbst der Mädchen. Aber ganz sicher verwöhnt er hier seine Geschäftspartner und bindet sie mit seinem Wissen an sich.«
Knobel hatte sich über Rosenbooms Moral bislang kaum Gedanken gemacht. Seine öffentlichen Auftritte offenbarten ein seriöses Geschäftsgebaren und ein unauffälliges Privatleben ohne Fehl und Tadel.
»Wenn es so wäre, wie Sie sagen, Herr Weinstein, könnten Sie Ihre Frau doch ganz leicht zurückgewinnen. – Oder würde sie einen Bordellbesitzer als Ehemann haben wollen? Wenn Sie Rosenboom erpressen, dann müssen Sie einen Beweis gegen ihn in der Hand haben. Und dieser Beweis würde Ihrer Frau doch reichen. Zumindest könnten Sie Rosenbooms Ehe zerstören.«
Weinstein lachte bitter auf, als sei Knobels Gedanke zu vereinfachend.
»Welche Beweise haben Sie gegen Rosenboom?«, setzte Knobel nach.
Knobel suchte eine Regung in Weinsteins Gesicht, aber die Dunkelheit verhüllte seine hageren Züge.
»Sie haben gar keine Beweise«, provozierte Knobel.
Weinstein blieb gelassen.
»Wenn es so wäre, würde Rosenboom nicht zahlen. – Warum soll ich Sie einweihen und mein Druckmittel entwerten?«
»Was war im Keller unter der Brunnenstraße 8?«
»Beweisstücke. Wenn das Gericht mit Anwälten und Sachverständigen den Keller besichtigt hätte, wäre man auf die Beweisstücke gestoßen.«
»Bilder oder irgendwelche Schreiben, die an die Wände geklebt waren?«
»Exakt.«
»Und das Haus Brunnenstraße 8 hat Ihnen Rosenboom praktisch schon als erstes Schweigegeld übertragen?«
»Exakt.«
»Und der Prozess wegen Schadenersatzes sollte ein kleines Zubrot bringen? Ansonsten sind Ihnen die Schäden im Haus egal. Es war ja auch in Wirklichkeit ein geschenktes Haus. Nur zum Schein hat man einen Kaufvertrag gemacht.«
Weinstein nickte.
»Rosenboom musste also, um eine Beweisaufnahme durch das Gericht zu verhindern, in deren Zuge man den Keller besichtigt hätte, die Klage anerkennen.«
»Jawohl.«
Es waren knappe Antworten eines Lehrers, der die gepaukten Lektionen seines Schülers zufrieden abprüfte.
»Warum kassieren Sie nicht von Rosenboom direkt? Das wäre doch viel einfacher.«
Knobel lief die Zeit davon.
»Er soll sich
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