Karrieresprung
nachweisbaren Behauptung erheben, dass er bereits an Sie gezahlt habe. Der Prozess wird genauso aussichtslos sein wie die beiden anderen.«
Weinstein grinste.
»Er hat ja auch bereits gezahlt.«
Es gefiel ihm, Knobel einen Blick hinter den Vorhang werfen zu lassen, wollte sich mitteilen und wollte verschweigen.
»Sie spielen nicht anders mit den Menschen als Rosenboom«, meinte Knobel, »aber dieses Spiel würden sie verlieren.«
»Warum?«
»Ich kann mich nun in dem Prozess selbst als Zeugen anbieten und aussagen, dass Sie mir gerade bestätigt haben, dass Rosenboom bereits alles gezahlt hat.«
»Nein, bestimmt nicht«, widersprach Weinstein triumphierend. »Ihr Mandant würde es nicht zulassen, dass Sie so vorgehen.«
Sie erreichten die Straßenkreuzung Neutor und blieben unschlüssig stehen. Es dunkelte. Die kalte Luft zog feucht in die Kleidung.
Weinstein zog seinen Kopf tiefer in den Kragen seines Mantels.
»Aber ich könnte es trotzdem tun«, sagte Knobel. »Auch auf die Gefahr hin, dass Rosenboom mich als Anwalt entlässt. Ich könnte einen Schriftsatz fertigen, in dem alles steht, was ich weiß. Auch wenn mein Wissen lückenhaft ist. Aber was ich schreibe, reicht in jedem Falle aus, das Gericht auf die maßgeblichen Fragen zu stoßen. Ich weiß nicht, ob Rosenboom als Sieger hervorgehen wird, aber der Verlierer sind ganz sicher Sie.«
»Und was wird aus Ihnen, wenn der beste Mandant wegbricht? Oder wenn man Sie aus der Kanzlei wirft?«
Knobel zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Ich könnte in die Kanzlei meines Schwiegervaters gehen.«
»Aber wird es Ihnen dann so gut gehen wie jetzt?«
»Wer sagt Ihnen, dass es mir gut geht?«
»Mein Anwalt. Er sagt, Sie seien der aufgehende Stern bei Dr. Hübenthal & Partner und säßen in der Kanzlei wie die Made im Speck.«
Knobel lachte.
»Ihr Anwalt sieht auch nicht aus, als sei er auf Almosen angewiesen.«
»Seine Kanzlei ist ganz einfach eingerichtet«, entgegnete Weinstein. »Soweit ich weiß, muss er auch noch Unterhalt an seine erste Frau zahlen. Außerdem braucht er einiges zum Leben. Er hat manchmal ein rotes Näschen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Knobel verstand und zog sich aus seiner Kanzlei und aus dem Fall heraus.
»Meine Frau und ich würden unser glückliches Leben fortsetzen. Unser Kind wird auf der Welt sein, wir würden vielleicht eine einfache Mietwohnung haben, uns selbst genügen und manchmal eine kleine Reise unternehmen. Wir würden Zeit für uns und für das Kind haben.«
Knobel malte ein Bild der Beschaulichkeit, während sie sich umwandten und die Straßenkreuzung hinter sich ließen. Er liebte die herbstliche Dunkelheit, das wohlige In-sich-Sein. Als Kind begann er um diese Zeit mit den Eltern in der Stadt nach den ersten Weihnachtsbäumen Ausschau zu halten und nach den ersten Krippen, diesen heimeligen Häuschen zwischen dunklen Tannen. Es war die schönste Zeit, und das nicht der Geschenke, sondern der wohligen Gemütlichkeit wegen.
»Sie lieben Ihre Frau sehr?«
»Natürlich.«
Natürlich liebte Knobel seine Frau.
»Wir bekommen in Kürze Nachwuchs.«
»Und dann kommt irgendwann ein Tassilo Rosenboom und nimmt sie Ihnen weg.«
Knobel hatte nie darüber nachgedacht, dass ihm jemand Lisa wegnehmen könnte. Sie war nicht wegnehmbar. Das Kind. Das Haus. Dazu, was er Lisa bot, was sie an ihm bewunderte. Wie sie sich brauchten. Es gab nichts hinzuzugeben oder wegzunehmen.
»Ein Herr Rosenboom kommt nicht daher und macht auf Geld«, sagte Weinstein leise. »Er ist ganz einfach nett. Er protzt nicht einmal mit seinem Geld.«
»Wo hat er Ihre Frau kennen gelernt?«, fragte Knobel.
»Er hat uns beide kennen gelernt. In einem Eiscafé in der Innenstadt. Der Bedienung entglitt ein Eisbecher und fiel auf das Kleid meiner Frau. Das Kleid war völlig besudelt. Rosenboom saß zufällig am Nebentisch. Er bot sich an, uns nach Haus zu fahren, weil wir ohne Auto in der Stadt waren. Selbstverständlich lud ich ihn auf einen Kaffee in die Wohnung ein und erwartete eher, dass er dankend ablehnen würde, aber er kam tatsächlich mit. Meine Frau zog sich um, kam dann hinzu, und wir haben uns fast eineinhalb Stunden unterhalten. Es war ein schönes Gespräch. Nicht so ein Blabla, wie man es kennt. Es entwickelte sich eine gute Bekanntschaft daraus. Wir telefonierten miteinander, und schließlich luden wir uns gegenseitig ein. Rosenboom war in unserer Vierzimmerwohnung und wir bei Rosenboom in seinem Haus in der Südbecke
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