Karrieresprung
Ihrem Anwalt gesprochen habe, Sie also mit meinem Anruf sozusagen überfalle. Aber ich muss dringend mit Ihnen sprechen«, rechtfertigte er.
Weinstein lachte heiser.
»Also tut sich endlich was.«
»Wo kann ich Sie treffen? – Wir sprechen unter vier Augen.«
Weinstein war über seinen Anruf so überrascht, dass ihm kein geeigneter Platz einfiel.
»Dann treffen wir uns heute Nachmittag um fünf im Stadtgarten, direkt am Gauklerbrunnen«, bestimmte Knobel und beschrieb den Ort der Verabredung.
Weinstein bestätigte, immer noch überrascht.
34
Nervös bereitete er sich auf das Gespräch mit Weinstein vor. Er fürchtete, dass dieser vorab mit seinem Anwalt Kontakt aufgenommen hatte.
Knobel bat Frau Klabunde, alle Gesprächstermine für den Nachmittag abzusagen.
»Eine unvorhergesehene Sache«, erklärte er. »Unaufschiebbar.«
»Sozusagen auf Leben und Tod«, bemerkte sie spitz.
Sie schaute prüfend über die Gläser ihrer Lesebrille hinweg und nahm versöhnt zur Kenntnis, dass er errötete.
»Ich mische mich nicht in Ihre privaten Angelegenheiten ein, Herr Knobel«, versicherte sie. »Soll ich Ihre Frau anrufen und sagen, dass es später wird?«
»Es ist eine dienstliche Sache«, sagte er.
»Selbstverständlich«, bekräftigte sie.
»Die Sache Weinstein gegen Rosenboom.«
»Sie treffen doch nicht etwa Weinstein?«
Er bereute, Frau Klabunde damit beauftragt zu haben, Weinsteins Telefonnummer herauszusuchen.
»Außergerichtlicher Einigungsversuch mit dem Gegner«, sagte Knobel vage.
»Herr Rosenboom war vorhin sehr ungehalten am Telefon«, sagte sie. »Er hatte mich böse beschimpft, als ich ihm sagen musste, dass in seiner Sache noch nichts diktiert sei. So habe ich Herrn Rosenboom noch nie erlebt.«
»Er wird sich wieder beruhigen«, meinte er.
»Herrn Rosenboom dürfen Sie nicht unterschätzen. Er ist mit dem Chef bestens befreundet.«
»Ich weiß, sie kennen sich aus der Schule.«
»Sie sind mehr als gute Freunde.«
Sie wurde vertraulich leise.
»Von allem, was Herrn Rosenboom betrifft, weiß automatisch auch Herr Dr. Hübenthal.«
Er schüttelte den Kopf.
»Sie wissen doch: Ich berate Herrn Rosenboom in vielen Sachen allein.«
Frau Klabunde hob unschlüssig die Schultern.
»Ich meine ja nur, dass Sie vorsichtig sein sollen. Was ich Ihnen sage, weiß ich von Dr. Reitinger.«
»Was hat er Ihnen erzählt?«
»Nur, dass man Herrn Rosenboom im Grunde nicht als Mandanten, sondern als Teil der Kanzlei betrachten muss. Der Herr Doktor ist an dieser Stelle nicht recht konkret geworden.«
»Sie mochten den Doktor sehr?«
Frau Klabunde nickte heftig.
»Er war so schrullig. Auf der einen Seite penibel wie ein Buchhalter, auf der anderen Seite ein Chaot in seiner schrecklichen Unordnung. Aber in seinem Computer hat er immer alles erfasst. Er hat auch immer die besseren Mandanten haben wollen. Sie wissen schon: die mit mehr Geld und den dicken Aufträgen. Aber er bekam die größeren Sachen seit langem nicht mehr. Höchstens mal zwei oder drei große Mandate im Jahr, und dann eher zufällig, weil sich die Dinge plötzlich so entwickelten und am Anfang nicht nach Geld aussahen. Den Doktor hat es ganz krank gemacht, dass er nicht mehr weiterkam. Er hat immer wieder mit mir darüber gesprochen.«
»Aber er ist ja weitergekommen«, entgegnete Knobel. »Schließlich war er Sozius.«
»Er hat sich wohl nur eingekauft«, hielt sie entgegen.
Knobel erinnerte sich an sein Gespräch, als Dr. Reitinger ihm die Summe verraten hatte.
»So was ist nicht unüblich«, relativierte er.
»Ich weiß. Aber bald nach seiner Soziierung kam er nicht mehr weiter. Der Herr Doktor kam einfach nicht an die großen Sachen ran. Der Herr Doktor wollte immer weiter nach vorne, ganz auf die ehrliche Art. Aber das klappte nicht.«
»Notfalls hat er aus einem Fall zwei gemacht, um seine Fallzahlen zu erhöhen«, nickte Knobel.
Frau Klabunde schossen Tränen in die Augen.
»Ich weiß«, sagte sie.
»Früher hat Dr. Reitinger für Rosenboom gearbeitet, nicht wahr?«, fragte er.
»Ja. Ganz am Anfang. Bis zu seiner Soziierung. Dann war Schluss.«
»Und dann übernahm Löffke die privaten Sachen Rosenbooms …«
Sie sah zu ihm auf und schien erleichtert, sich ihm mitteilen zu können. »Löffke und Dr. Hübenthal. Mal der eine, mal der andere. Nachdem Sie den ersten Prozess für Rosenboom gewonnen hatten, kamen alle privaten Sachen zu Ihnen. Der Junge ist Klasse , hatte Dr. Hübenthal gelobt. Dr. Reitinger hat’s mir
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