Karrieresprung
bekennen«, glühte Weinsteins Eifer auf. »Er soll Abenteuerliches im Prozess behaupten und es dann entschuldigend zurücknehmen. Mit jedem Prozess verliert er Geld und muss sich zugleich öffentlich demütigen und als Betrüger bezeichnen!«
Knobel tat gleichgültig.
»Was soll er Ihnen anbieten, wenn Sie gar nichts annehmen wollen, womit er sich herauskaufen könnte?«
Sie blieben stehen.
Weinstein drängte, sich zu verabschieden.
»Wir haben genug geredet. – Fragen Sie Rosenboom, ob er ein Angebot macht. Es liegt an ihm, alles zu beenden. Wenn sein Angebot steht, können wir wieder miteinander reden. – Und sprechen Sie nicht mit meinem Anwalt. Er weiß von der ganzen Sache nichts und verdient ganz ehrliche Gebühren an den Prozessen gegen Rosenboom. Sie wissen ja: Er braucht Geld für den Unterhalt und sein rotes Näschen.«
Weinstein lachte. Im Weggehen wandte er sich noch mal um.
»Ich bin übrigens auf Ihre Klage gegen die Pfändung gespannt«, sagte Weinstein. »Obwohl diese Klage eigentlich unnötig gewesen wäre.«
»Wir klagen doch nur, weil Sie es so wollen«, erwiderte Knobel schroff.
»Die Klage ist ein notwendiger Nachtrag zum letzten Prozess«, belehrte Weinstein. »Es war vereinbart, dass Rosenboom vor Gericht erklären sollte, das Geld von mir geliehen bekommen zu haben. Verbunden mit dem Bedauern, bis dahin behauptet zu haben, dass ihm das Geld von mir geschenkt worden sei. – Aber dann erscheint der Lump nicht zum Gerichtstermin, obwohl er zum Termin geladen worden war. Weil er angeblich krank gewesen sei! Aber so geht das nicht! Ich will nicht den bloßen Sieg im Prozess. Ich will sein reumütiges Eingeständnis. Darum muss er jetzt gegen die Pfändung aus dem Urteil klagen …«
»… und im Prozess erklären, dass er irrtümlich behauptet habe, bereits gezahlt zu haben«, vollendete Knobel.
»Nein!«
Weinstein trat nahe an ihn heran. Sein schnaubender Atem stieß Knobel ins Gesicht.
»Tassilo Rosenboom wird aussagen, dass er mich mit der Behauptung, bereits gezahlt zu haben, betrügen wollte!«
Weinstein löste sich von ihm und eilte hastig Richtung Stadttheater davon.
Knobel blickte ihm nach, bis er auf der anderen Straßenseite im Gewirr der Passanten untergetaucht war.
Zwei Fragen blieben.
Erstens: Was für Beweise hatte Weinstein gegen Rosenboom?
Zweitens: Was sollte sein Mandant Weinstein anbieten?
Nachdenklich fuhr er in die Kanzlei zurück.
Frau Klabunde war nicht mehr im Hause, Telefonzettel mahnten Rückrufe an. Ein handschriftlicher Vermerk von Frau Klabunde lag mitten auf dem Schreibtisch.
Honorarbareinzahlung von Herrn Rosenboom um 17.15 Uhr. Er erwartet jetzt »Pfeffer«.
Das Wort Pfeffer war mit dickem schwarzen Stift unterstrichen.
36
Knobel rief die Umsatzauswertung im Computer auf, schlug die noch nicht gebuchten Fünftausend von Rosenboom der ausgeworfenen Summe zu. Seine Umsatzzahl näherte sich derjenigen von Löffke. Es trennten sie noch knapp 80.000. Noch nicht abgerechnete Mandate hinzuaddiert und vorausgesetzt, dass Löffke nicht noch erhebliche Außenstände hatte, würde der Abstand bis zum Jahresende auf etwa 40.000 schrumpfen können. Knobels Umsatzsprünge nach vorn beruhten ohne Zweifel zu einem ganz wesentlichen Teil auf Rosenbooms Zahlungen, teils auf den ordnungsgemäß abgerechneten Mandaten und teils auf den Extrahonoraren in den Streitigkeiten mit Weinstein. Knobel tat es leid, dass sein Gönner und Förderer buchstäblich vorgeführt wurde. Ob Rosenboom tatsächlich ein Bordell betrieb, ob er Geschäftspartner vielleicht mittels seines Etablissements gefügig machte, war nicht wesentlich. Zweifellos würde sich die Öffentlichkeit über Rosenbooms Aktivitäten empören können, vielleicht sogar empören müssen, aber hiervon abgesehen erschien der Betrieb eines Bordells nicht als verwerflich. Schon gar nicht empfand er Mitleid mit den Geschäftspartnern, die Rosenboom seinen Prostituierten zugeführt haben mochte.
Zu Beginn des ersten Semesters, wenige Tage bevor er Lisa erstmals wahrgenommen hatte, war Knobel an einem Nachmittag mit dem Zug nach Düsseldorf gefahren. Er hatte auf die Bahnhofsnähe des Bordells vertraut, die düsteren Straßen mit den roten Lampen gesucht und war schließlich zu einer kleinen Straße gelangt, in die der freie Blick durch eine gut zwei Meter hohe graue Holzwand versperrt war. Er hatte einige Minuten ausgeharrt und dann die Wand seitlich mit klopfendem Herzen passiert und zugleich die Banknoten
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