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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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gehabt, das nicht durch Geld motiviert war? Das könne er an
einer Hand abzählen. Einerseits sei das natürlich beruhigend, das sei der
Beweis dafür, dass der Mensch nur selten den Gipfel des Bösen erreiche. Aber
heute Abend fände er das außerordentlich traurig, ohne zu wissen, warum.

XIV
    D ER H EIZKESSEL HATTE H OUELLEBECQ letzten Endes überlebt, sagte sich Jed, als er zu
Hause ankam und das Gerät betrachtete, das ihn mit hinterhältigem Brummen
empfing wie ein böses Tier.
    Er hatte wohl auch Jeds Vater
überlebt, wie er ein paar Tage später vermuten musste. Es war schon der 17.
Dezember, in einer Woche war Weihnachten, und er hatte noch immer nichts von
dem alten Mann gehört; er beschloss daher, die Leiterin des Seniorenheims
anzurufen. Sie teilte ihm mit, dass sein Vater vor einer Woche nach Zürich
gefahren sei, ohne ein genaues Datum für seine Rückkehr anzugeben. Ihre Stimme
verriet keine besondere Beunruhigung, und Jed wurde plötzlich bewusst, dass
Zürich nicht nur die Operationsbasis eines Vereins war, der alte Menschen in
den Tod schickte, sondern auch der Wohnort begüterter und sogar sehr begüterter
Leute, die zu den reichsten der Welt zählten. Viele ihrer Heimbewohner hatten
vermutlich Familienangehörige oder Bekannte in Zürich, und daher musste ihr die
Tatsache, dass einer von ihnen dorthin reiste, völlig normal erscheinen. Er
legte entmutigt auf und buchte bei Swiss International Air Lines ein Ticket für
den folgenden Tag.
    Während er im riesigen Terminal 2 des
Flughafens Roissy mit seiner düsteren, ja ziemlich tödlichen Atmosphäre auf den
Abflug wartete, fragte er sich plötzlich, was er überhaupt in Zürich zu tun
gedachte. Sein Vater war aller Wahrscheinlichkeit nach seit mehreren Tagen tot,
seine Asche schwamm wahrscheinlich schon im Wasser des Zürichsees. Bei seinen
Recherchen im Internet hatte er erfahren, dass ein Umweltschutzverein Strafanzeige
gegen Dignitas –
so lautete der Name der Vereinigung von Sterbehelfern – erstattet hatte. Nicht
etwa aufgrund ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, die besagten Umweltschützer
waren über die Existenz von Dignitas äußerst erfreut, sie erklärten sich sogar völlig solidarisch mit deren Kampf ; aber die Menge der Asche und der menschlichen Knochen, die sie ins Wasser
des Sees schütteten, war ihnen zufolge zu hoch und hatte den Nachteil, die
Verbreitung einer seit kurzem in Europa eingeführten brasilianischen Karpfenart
zu begünstigen – zum Schaden des Seesaiblings und ganz allgemein der
einheimischen Fischarten.
    Jed hätte das Hotel Widder oder einen der am
Seeufer errichteten Paläste wie etwa das Baur au Lac wählen können, aber er spürte, dass er deren
übermäßigen Luxus nur schwer ertragen hätte. Er nahm daher mit einem großen,
zweckmäßigen Hotel in der Nähe des Flughafens vorlieb, das in der Gemeinde
Glattbrugg lag. Selbst dieses war übrigens ziemlich teuer und wirkte sehr
gemütlich, aber gab es in der Schweiz überhaupt billige oder ungemütliche
Hotels?
    Er traf gegen zweiundzwanzig Uhr bei
eisiger Kälte ein, aber das Zimmer war trotz der erbärmlichen Fassade des
Hotels ausgesprochen behaglich und warm. Das Restaurant des Hotels hatte gerade
geschlossen. Jed studierte eine Weile die Karte des Zimmerservice, ehe er
merkte, dass er gar keinen Hunger hatte, ja sich noch nicht einmal imstande
fühlte, irgendetwas zu essen. Er spielte einen Augenblick mit dem Gedanken,
sich irgendeinen Pornofilm anzusehen, schlief aber ein, bevor es ihm gelang,
die Funktionsweise des Pay per view -Systems zu begreifen.
    Als er am nächsten Morgen aufwachte,
war die ganze Umgebung in weißen Nebel gehüllt. Die Flugzeuge könnten nicht starten,
erklärte ihm die Empfangsdame, der Flughafen sei lahmgelegt. Er ging zum
Frühstücksbuffet, kriegte aber nicht mehr als einen Kaffee und ein halbes
Milchbrötchen hinunter. Nachdem er eine ganze Weile den Stadtplan studiert
hatte – es war ziemlich kompliziert, der Verein war ebenfalls in einem Vorort
von Zürich angesiedelt, aber in einem anderen –, gab er es auf und beschloss,
ein Taxi zu nehmen. Der Taxifahrer kannte die Ifangstraße gut; Jed hatte
vergessen, sich die Hausnummer zu notieren, aber der Mann versicherte ihm, dass
es eine kurze Straße sei. Sie befinde sich in der Nähe des Schwerzenbacher
Bahnhofs und verlaufe im Übrigen parallel zu den Gleisen. Jed war ein wenig
befangen bei dem Gedanken, der Fahrer könne in ihm einen Selbstmordkandidaten
sehen. Dabei warf

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