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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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ein so gut wie unbekannter
ukrainischer Radfahrer siegte. Nachdem er das Gerät wieder ausgeschaltet hatte,
sagte er sich, dass er wohl Patrick Forestier anrufen müsse.
    Der Verantwortliche für die
Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe Michelin France nahm die Nachricht ohne große
Gemütsbewegung auf. Wenn Jed beschlossen habe, keine Fotos mehr von
Michelin-Karten zu machen, könne ihn nichts dazu zwingen, damit weiterzumachen;
er könne in jedem Moment damit aufhören, das sei wörtlich im Vertrag
festgelegt. Tatsächlich machte er den Eindruck, als sei ihm das scheißegal, und
Jed war sogar überrascht, dass er ihm vorschlug, sich am nächsten Morgen zu treffen.
    Kurz nachdem er im Büro in der
Avenue de la Grande-Armée eingetroffen war, begriff er, dass Forestier vor
allem den Wunsch hatte, sein Herz auszuschütten und seine beruflichen Sorgen einem
verständnisvollen Gesprächspartner mitzuteilen. Durch Olgas Versetzung habe er
eine intelligente, ergebene Mitarbeiterin verloren, die noch dazu mehrere
Sprachen beherrschte; das Unglaubliche daran sei aber, dass ihm bisher niemand
als Ersatz angeboten worden sei. Er habe sich von der Betriebsleitung »total
verarschen lassen«, wie er sich verbittert ausdrückte. Natürlich gehe sie nach
Russland zurück, natürlich sei das ihr Heimatland, natürlich würden die
beknackten Russen Milliarden von Reifen kaufen, mit ihren beknackten Straßen,
die sauschlecht waren, und ihrem beknackten Klima, das total für den Arsch sei,
trotzdem bleibe Michelin ein französisches Unternehmen, und noch vor wenigen
Jahren wäre die Sache anders gelaufen. Die Anliegen des französischen
Stammhauses seien bis vor kurzem noch Befehle gewesen, oder zumindest seien sie
mit besonderer Aufmerksamkeit in Betracht gezogen worden, aber seit
ausländische institutionelle Anleger die Mehrheit des Kapitals der Gruppe
übernommen hatten, sei das alles vorbei. Ja, die Situation habe sich von Grund
auf verändert, wiederholte er mit genussvollem Verweilen bei diesem traurigen Gedanken,
selbstverständlich hätten die Interessen von Michelin France im Vergleich zu
Russland kaum noch Gewicht, von China ganz zu schweigen, aber wenn das so
weitergehen sollte, dann frage er sich, ob er nicht zu Bridgestone oder sogar
zu Goodyear überwechseln solle. Na ja, aber das bleibt natürlich unter uns,
fügte er plötzlich ängstlich hinzu.
    Jed sicherte ihm völlige Diskretion zu
und versuchte das Gespräch auf seinen eigenen Fall zu lenken. »Ach ja, die Website
…« Forestier schien sich endlich daran zu erinnern. »Nun, dann fügen wir einen
Zusatz hinzu, aus dem hervorgeht, dass Sie diese Serie als beendet betrachten.
Die bisherigen Abzüge bleiben weiterhin erhältlich, falls Sie keine Einwände
haben.« Jed hatte keine. »Es sind übrigens kaum noch welche da, sie haben sich
sehr gut verkauft«, fuhr er fort, wobei in seiner Stimme wieder ein Hauch von
Optimismus zu spüren war. »Wir werden in unserer Werbung auch weiterhin darauf
hinweisen, dass die Michelin-Karten die Grundlage einer von der Kritik einhellig
begrüßten künstlerischen Arbeit gewesen sind, wenn Sie nichts dagegen haben.« Auch
dagegen hatte Jed nichts einzuwenden.
    Forestier bekam neuen Auftrieb, als er
Jed zur Tür seines Büros begleitete, und mit einem herzlichen Händedruck sagte
er zum Abschluss: »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Es war
wirklich eine Win-win-Situation, eindeutig Win-win.«

X
    M EHRERE W OCHEN LANG geschah nichts oder so gut wie nichts, doch als Jed
eines Morgens vom Einkaufen zurückkam, sah er einen etwa fünfzigjährigen Typen
in Jeans und abgetragener Lederjacke, der vor dem Eingang seines Hauses stand
und wartete; er schien schon seit geraumer Zeit gewartet zu haben.
    »Guten Tag«, sagte der Typ. »Es tut
mir leid, dass ich Sie so einfach anspreche, aber ich sah keine andere
Möglichkeit. Ich habe Sie schon mehrmals durch das Viertel gehen sehen. Sie sind
doch Jed Martin, nicht wahr?«
    Jed nickte. Die Stimme seines
Gesprächspartners war die eines gebildeten, redegewandten Mannes. Er wirkte wie
ein belgischer Situationist oder ein proletarischer Intellektueller, der zwar
immerhin Hemden von Arrow trug, dessen starke, verbrauchte Hände jedoch
verrieten, dass er tatsächlich einen handwerklichen Beruf ausgeübt hatte.
    »Ich kenne Ihre Arbeit mit den
Landkarten gut, ich habe sie fast von Anfang an verfolgt. Ich wohne auch hier
im Viertel.« Er streckte Jed die Hand entgegen. »Ich heiße Franz

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