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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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gescheitert ist: Sobald der
finanzielle Anreiz abgeschafft war, haben die Leute aufgehört zu arbeiten, sie
haben ihre Beschäftigung sabotiert, und das Fernbleiben von der Arbeitsstätte
hat unglaubliche Proportionen angenommen; der Kommunismus ist nie imstande
gewesen, die Produktion und den Vertrieb der elementarsten Verbrauchsgüter zu
gewährleisten. Fourier hat das Ancien Régime noch gekannt, und er war sich bewusst, dass es schon lange vor dem Aufkommen des Kapitalismus wissenschaftliche Forschung und
technischen Fortschritt gegeben hatte und dass die Menschen hart, zuweilen sehr
hart gearbeitet hatten, ohne von der Verlockung des Geldes dazu angetrieben zu
werden, sondern vielmehr von etwas, das in den Augen des modernen Menschen viel
verschwommener ist: von der Liebe zu Gott, wenn es Mönche waren, oder ganz
einfach von der Ehre des Amtes.«
    Jeds Vater verstummte und merkte, dass
sein Sohn ihm jetzt sehr aufmerksam zuhörte. »Ja«, erklärte er, »vermutlich
gibt es einen Bezug zu dem, was du in deinen Bildern auszudrücken versucht
hast. Vieles bei Fourier ist wildes Zeug, insgesamt gesehen kann man ihn kaum
noch lesen, aber trotzdem lässt sich vielleicht noch etwas daraus gewinnen.
Zumindest haben wir das damals geglaubt …«
    Er verstummte und schien sich seinen
Erinnerungen hinzugeben. Der Wind hatte sich gelegt, und die Nacht war
inzwischen sternklar und still; eine dicke Schneeschicht bedeckte die Dächer.
    »Ich war jung«, sagte er
schließlich leise und ein wenig ungläubig. »Vielleicht kannst du das nicht ganz
nachvollziehen, denn du wurdest in eine Familie hineingeboren, die bereits reich
war. Aber ich war jung, war im Begriff Architekt zu werden, und ich lebte in
Paris; plötzlich schien alles möglich zu sein. Und ich war nicht der Einzige,
Paris war damals eine lebenslustige Stadt, man hatte den Eindruck, als könne
man die Welt neu erschaffen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich deine Mutter
kennengelernt, sie studierte am Konservatorium, sie spielte Geige. Wir
betrachteten uns damals als eine richtige Künstlergruppe. Na ja, aber das hat
sich letztlich darauf beschränkt, vier oder fünf Artikel in einer
Fachzeitschrift für Architektur zu veröffentlichen, die wir zu mehreren
unterzeichnet haben. Es waren im Wesentlichen politische Texte. Wir haben darin
den Gedanken verteidigt, dass eine komplexe, weitverzweigte Gesellschaft mit
unterschiedlichen Organisationsformen wie jene, die Fourier vorgeschlagen hat,
mit einer komplexen Architektur einhergehen müsse, die ebenfalls
weitverzweigte, unterschiedliche Formen annehmen und in der es Raum für
individuelle Kreativität geben müsse. Wir haben in diesen Artikeln Mies van der
Rohe heftig angegriffen – der leere, modifizierbare Strukturen lieferte, die
später als Modell für die Großraumbüros der Unternehmen dienen sollten – und
vor allem Le Corbusier, der unermüdlich KZ -ähnliche, in identische Zellen unterteilte Gebäude
errichtete, die sich, wie wir schrieben, höchstens als Modellgefängnisse
eigneten. Diese Artikel haben eine gewisse Resonanz hervorgerufen, ich glaube,
selbst Deleuze hat sie zitiert; aber ich musste natürlich meinen
Lebensunterhalt verdienen, ebenso wie die anderen, also haben wir uns von
großen Architekturbüros anstellen lassen, und da war das Leben mit einem Schlag
längst nicht mehr so reizvoll. Meine finanzielle Lage verbesserte sich ziemlich
schnell, damals gab es sehr viel Arbeit, Frankreich wurde in hohem Tempo
wiederaufgebaut. Ich habe das Haus in Le Raincy gekauft, ich glaubte, das sei
eine gute Idee, damals war das noch ein angenehmer Vorort. Außerdem bekam ich
es für einen günstigen Preis, ein Kunde hatte mich auf die Sache aufmerksam
gemacht, ein Bauherr. Der Eigentümer war ein alter Mann, ganz offensichtlich
ein Intellektueller, der immer einen dreiteiligen grauen Anzug mit einer Blume
im Knopfloch trug, und jedes Mal, wenn ich ihn sah, war es eine andere Blume.
Er wirkte, als lebe er noch in der Belle Époque oder allenfalls in den dreißiger Jahren, ich konnte
ihn einfach nicht mit seiner Umgebung in Einklang bringen. Man konnte sich eher
vorstellen, ihm, was weiß ich, am Quai Voltaire in Paris zu begegnen,
jedenfalls bestimmt nicht in Le Raincy. Er war ein emeritierter Professor für
Esoterik und Religionsgeschichte, ich erinnere mich noch, dass er sich sehr gut
in der Kabbala und der Gnostik auskannte, aber er interessierte sich auf ganz eigentümliche
Weise dafür, zum Beispiel hatte er

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