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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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ein wenig Magie. Der Leichnam zuckt und ich springe mit einem Satz zurück.
    »Gemma …«,keucht Ann.
    Ein heftiger Wind schüttelt die Toten in den Bäumen, lässt sie wie Blätter rascheln. Ihre Augen klappen auf, schwarz wie Pech und rot umrändert. Ein Chor aus schrillen Schreien, Kreischen und Stöhnen, begleitet vom tiefen, zornigen Grollen plötzlich aus dem Schlaf geweckter wilder Tiere, dröhnt in unseren Ohren. All das wird von einem schrecklichen Refrain untermalt, der sich in meine Seele einschreibt: »Opfer, Opfer, Opfer …«
    »Gemma, was hast du getan?«, wimmert Ann.
    »Kehrt um!«, brülle ich.
    Schon nach wenigen Schritten verschwindet der Pfad unter unseren Füßen.
    »Welche Richtung?«, kreischt Mercy und läuft mehrmals im Kreis.
    Wendy taumelt vorwärts, als sie mit fuchtelnden Armen ins Leere fasst. »Verlass mich nicht, Mercy!«
    »Ich weiß es nicht ! «, brülle ich. Circe hat gesagt, wir sollen uns an den Fluss halten, aber über das hier hat sie nichts gesagt. Entweder hat sie es absichtlich verschwiegen oder sie weiß nichts davon. Ob so oder so, wir sind allein, ohne Hilfe.
    Plötzlich dringt eine Stimme durch den Lärm, ruhig und klar. »Diese Richtung. Schnell …«
    Ein Pfad aus Licht erscheint im erfrorenen Gras.
    »Kommt! Hier entlang!«, rufe ich. Leichen treten und grapschen nach uns. Ein Mann fasst nach Pippa und Felicity schwingt ihr Schwert. Seine abgeschlagene Hand fliegt durch die Luft und er heult vor Wut.
    Ich möchte auch heulen, aber die Angst scheint mir die Stimme geraubt zu haben.
    »Lauft!«, würge ich endlich hervor. Ich dränge meine Freundinnen weiter und folge als Letzte. Meine Augen sind nur auf ihre Rücken geheftet, ich wage nicht, nach links oder rechts auf die grässlichen Gestalten zu blicken, die von den Bäumen baumeln.
    Endlich erreichen wir den Rand dieses grausigen Waldes. Der Lärm ebbt zu einem dumpfen Gemurmel ab und verstummt dann ganz.
    Wir legen eine kurze Atempause ein, lehnen uns aneinander und saugen die kalte Luft in unsere Lungen.
    »Was waren das für Horrorgestalten?«, presst Pippa zwischen zwei Atemzügen hervor.
    »Keine Ahnung«, keuche ich. »Es könnten die Toten sein, deren Seelen hierher gelockt worden sind.«
    Mercy schüttelt den Kopf. »Die waren nicht wie wir. Die hatten keine Seelen mehr. Das hoffe ich wenigstens.«
    Bessie deutet mit dem Kopf. »Und wie sollen wir da jetzt weiterkommen?«
    Eine Wand aus schwarzem Fels und Eis, so hoch wie breit, blockiert den Weg. Nach meinem Dafürhalten gibt es keine Möglichkeit, außen herumzugehen.
    Der Wind flüstert wieder: »Seht genauer …«
    Am Fuß des Felsungetüms ist ein mit blutigen Fetzen verhängter Tunnel.
    »Folgt ihm …«,drängt der Wind.
    »Habt ihr das gehört?«, frage ich, um mich zu vergewissern.
    Felicity nickt. »Er hat gesagt, wir sollen dem Tunnel folgen.«
    »Folgen wohin?« Ann späht zweifelnd in den dunklen Schlund.
    Niemand will den Anfang machen. Keine will als Erste die ekligen Fetzen zur Seite schieben und in diesen finsteren Schacht treten.
    »Wir haben es bis hierher geschafft«, sagt Pippa. »Wollt ihr jetzt aufgeben? Mae? Bessie?«
    Mae weicht zurück. Bessie tritt von einem Fuß auf den anderen.
    »Bisschen finster dort drinnen«, sagt Mae.
    »Ich denke, wir sollten umkehren«, flüstert Wendy. »Mr Darcy wird hungrig sein.«
    »Hör schon mit dem dummen Kaninchen auf.«, knurrt Bessie. Sie nickt mir zu. »’s war deine Idee, oder nicht? Diesen Baum zu finden? Du sollst die Führung übernehmen.«
    Der übel riechende Wind lässt die Fetzen flattern. Der Tunnel ist wie eine sternlose Nacht. Wer weiß, was uns dort drinnen erwartet. Schließlich haben wir schon eine grausige Überraschung erlebt. Aber Bessie hat recht. Ich sollte vorangehen.
    »Also gut«, sage ich. »Wir gehen weiter. Bleibt dicht hinter mir. Wenn ich es sage, rennt zurück, so schnell ihr könnt.«
    Wendy hat zu mir zurückgefunden und hängt sich wieder an meinen Ärmel. »Ist’s nicht schrecklich dunkel, Miss?«
    Komisch, dass sie sich vor der Dunkelheit fürchtet, obwohl sie nicht sehen kann. Vermutlich ist es eine tief in der Seele sitzende Angst.
    »Mach dir keine Sorgen, Wendy. Ich gehe zuerst. Mercy wird dich führen, das tust du doch, Mercy, nicht wahr?«
    Mercy nickt und nimmt Wendys Hand. »Klar. Bleib schön bei mir.«
    Mein Herz hämmert gegen meine Rippen. Ich tue einen Schritt ins Innere. Der Tunnel ist eng und niedrig. Ich kann nicht aufrecht stehen und muss

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