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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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schön bin, nicht gewollt, nicht liebenswert. Ich fürchte, dass ich die Magie verlieren werde, diese Magie, die zu hegen ich aufgebrochen bin; dass ich schließlich nur ganz normal und gewöhnlich sein werde. Ich fürchte so vieles, dass ich mich nicht entscheiden kann.
    »Los ! Spuck’s aus!« Das flatternde Ding stemmt vor Ungeduld die Hände in die Hüften und zeigt mir die Zähne.
    Felicity hält auf der anderen Seite des Tors ihr blasses Gesicht an die Knochenwand. »Gemma, komm schon. Sag einfach irgendetwas!«
    »Deine größte Furcht?«, fragt das Herz wieder. Ein kalter Wind weht von der anderen Seite herüber und lässt mich frösteln. Die Wolken wallen und wogen, grau und schwarz.
    »Ich fürchte mich vor der Winterwelt«, sage ich vorsichtig. »Ich fürchte mich vor dem, was ich dort vorfinden werde.«
    Der kalte Atem des Tors entlädt sich in einem langen, zufriedenen Seufzer, als würde es meine Furcht riechen und genießen.
    »Und dein größter Wunsch?«
    Ich antworte nicht sofort. Der raue Wind ohrfeigt mich und treibt mir Tränen in die Augen, sodass meine Nase läuft. Das Herz der Winterwelt schlägt ungeduldig.
    »Dein Wunsch«, zischt es.
    »Ich … ich weiß nicht.«
    »Gemma!«, fleht Felicity von drüben.
    Die Elfe schwirrt um meinen Kopf, bis ich schwindlig bin. Sie gräbt ihre Krallen in meine Schulter. »Sag es! Sag es!«
    Ich schlage sie weg und sie faucht mich an.
    »Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht, was ich will, aber ich wünschte, ich wüsste es. Und das ist die ehrlichste Antwort, die ich geben kann.«
    Das Herz schlägt rascher. Das Tor ächzt und stöhnt. Habe ich es erzürnt? Ich weiche zurück. Aber das Tor öffnet sich knarrend und klappernd.
    Felicity grinst mich an und streckt mir die Hand entgegen. »Gehen wir, bevor es seine Meinung ändert!«
    Mein Fuß schwebt über der Schwelle in der Luft und setzt dann auf dem steinigen Boden auf der anderen Seite auf. Ich bin in der Winterwelt. Hier gibt es keine Blumen. Keine grünen Bäume. Nur schwarzen Sand und harten Fels. Ein Großteil davon ist mit Schnee und Eis bedeckt. Der Wind pfeift und heult um die zerklüfteten Felsen und kneift mich in die Wangen. Ungeheure Gebilde aus dunklen Wolken bewegen sich am Horizont. Kleine Dunstwölkchen steigen zu ihnen auf und erzeugen einen wogenden Nebel, der alles in ein fahles Grau hüllt. Dieser Ort verströmt ein Gefühl tiefer Einsamkeit, das ich in mir selbst wiederfinde.
    »Folgt mir!« Die Elfe weist in die Richtung der zerklüfteten, mit Pockennarben aus Eis bedeckten Berge am Horizont.
    Unsere Füße hinterlassen schwache Spuren im schwarzen Sand.
    »Was für eine trübsinnige Gegend«, sagt Ann.
    Die Landschaft ist öd und düster, aber sie ist von einer seltsamen, hypnotischen Schönheit.
    Meilenweit ist kein anderes lebendes Wesen zu sehen. Es ist unheimlich, wie eine von ihren Einwohnern verlassene Stadt. Für einen Moment glaube ich, blasse Gestalten zu erkennen, die uns von ferne beobachten. Aber als ich mit der Fackel leuchte, haben sie sich in Luft aufgelöst, Trugbilder des Nebels und der Kälte.
    Ich höre Wasserrauschen. Eine enge Schlucht ist in die Felsen eingeschnitten und in der Tiefe strömt ein Fluss. Folgen Sie dem Fluss, hat Circe gesagt, doch das scheint so sicher zu sein wie der Tod. Die Strömung des Flusses ist reißend und der Pfad zu beiden Seiten dürfte kaum breiter sein als unsere Füße.
    »Gibt es einen anderen Weg?«, frage ich die Elfe.
    »Keinen, den ich kenne«, antwortet sie.
    »Ich hab gedacht, du seist eine ortskundige Führerin«, murmelt Felicity.
    »Ich weiß nicht alles, Menschenkind«, fährt Goldflügel sie an.
    Mit gemischten Gefühlen machen wir uns an den felsigen Abstieg; vorsichtig Schritt vor Schritt setzend, um auf den Flecken von blankem Eis nicht auszugleiten. Ich nehme Wendys Hand und helfe ihr.
    »Seht!«, ruft Ann. »Dort drüben!«
    Ein prächtiges Schiff gleitet durch den Nebel heran und steuert auf den schwarzen Sand des Ufers zu. Das Boot ist lang und schmal, mit Rudern, die aus Löchern an den Seiten ragen. Es erinnert mich an ein Wikingerschiff.
    »Wir sind gerettet!«, schreit Pippa. Sie hebt ihren Rock an und läuft auf das Boot zu. Die Fabrikmädchen folgen ihr. Ich packe Felicity am Arm.
    »Warte einen Moment. Woher ist dieses Schiff gekommen? Wohin fährt es?«, frage ich die Elfe.
    »Wenn ihr es wissen wollt, dann müsst ihr das Risiko eingehen«, antwortet sie und zeigt spitze Zähne.
    »Komm weiter, Gemma«,

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