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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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ein finsteres Grab.

1. Kapitel
März 1896
Spence-Akademie für junge Damen
    Es gibt einen speziellen Kreis der Hölle, der in Dantes berühmtem Buch nicht erwähnt wird. Er heißt Benehmen und er existiert in allen Schulen für junge Damen landauf und landab im ganzen englischen Königreich. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, in einen See aus Feuer geworfen zu werden. Ich bin sicher, es ist nicht angenehm. Aber ich kann mit absoluter Bestimmtheit sagen, dass es eine Art von Folter gibt, die selbst Dante Alighieri zu schrecklich gefunden hätte, um sie in seinem Inferno zu beschreiben: nämlich die Qual, mit einem Buch auf dem Kopf und einem Brett im Rücken, eingeschnürt in ein enges Korsett, in Schichten von Unterröcken und in drückenden Schuhen die Länge eines Ballsaals abzuschreiten. »Lasst uns unsere Augen zum Himmel richten, Mädchen«, gebietet unsere Direktorin, Mrs Nightwing, während wir versuchen, mit erhobenen Köpfen, die Arme seitwärts gestreckt wie Balletttänzerinnen, langsam einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Die Schlaufen des Rückenbretts scheuern an der Innenseite meiner Arme. Das Holz ist unbehandelt und ich bin gezwungen, so steif und gerade zu stehen wie die Wachen am Buckingham-Palast. Mein Nacken schmerzt vor Anstrengung. Im Mai werde ich debütieren, ein volles Jahr früher als üblich, denn es wurde von allen Beteiligten einvernehmlich beschlossen, dass ich mit fast siebzehn reif genug bin. Ich werde schöne Kleider tragen, verschwenderische Feste besuchen und mit gut aussehenden Männern tanzen – wenn ich diese Übungen überlebe. Im Moment ist das höchst zweifelhaft.
    Mrs Nightwing durchquert mit langen Schritten den Ballsaal. Ihre steifen Röcke fegen über den Fußboden, als wollten sie ihn dafür tadeln, dass er dort liegt. Die ganze Zeit brüllt sie Befehle wie Admiral Nelson persönlich. »Köpfe hoch! Grinsen Sie nicht, Miss Hawthorne! Gelassener, ruhig-heiterer Gesichtsausdruck! Leeren Sie Ihren Geist!«
    Ich bemühe mich, mein Gesicht so ausdruckslos zu halten wie eine leere Leinwand. Meine Wirbelsäule schmerzt. Mein linker Arm, den ich seit Stunden, wie mir scheint, zur Seite strecke, zittert.
    »Und jetzt knicksen …«
    Wie zusammenfallende Soufflés sinken wir in die Knie und versuchen verzweifelt, das Gleichgewicht zu halten. Mrs Nightwing fordert uns nicht auf, uns zu erheben. Meine Beine schwanken vor Erschöpfung. Ich schaffe es nicht. Ich stolpere vorwärts. Das Buch fällt mir vom Kopf und landet polternd auf dem Fußboden. Wir haben das nun viermal gemacht und viermal habe ich auf die eine oder andere Weise versagt.
    Mrs Nightwings Schuhe machen eine Handbreit vor mir halt. »Miss Doyle, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie sich bei Hofe befinden und vor Ihrer Majestät knicksen und nicht im Moulin Rouge auftreten?«
    »Ja, Mrs Nightwing«, sage ich beschämt.
    Es ist hoffnungslos. Ich werde nie lernen zu knicksen, ohne hinzufallen. Ich werde der Länge nach auf dem glänzenden Boden des Buckingham-Palasts liegen, mit der Nase auf dem Schuh der Königin. Ich werde das Klatsch- und Tratschthema Nummer eins der Ballsaison sein. Zweifellos werden mich alle Männer meiden wie die Pest.
    »Miss Temple, vielleicht möchten Sie uns zeigen, wie man richtig knickst?«
    Ohne eine Sekunde zu zögern, versinkt Cecily Temple, die Alleskönnerin, in einem langsamen, tiefen, anmutigen Knicks, der der Erdanziehungskraft zu trotzen scheint. Traumhaft. Ich bin maßlos eifersüchtig.
    »Danke, Miss Temple.«
    Ja, danke, du kleines teuflisches Biest. Ich hoffe, du heiratest einen Mann, der bei jeder Mahlzeit Knoblauch isst.
    »Nun lassen Sie uns –« Mrs Nightwing wird durch ein lautes Hämmern unterbrochen. Sie schließt ihre Augen fest gegen den Lärm.
    »Mrs Nightwing«, flötet Elizabeth. »Wie sollen wir uns auf unsere Umgangsformen konzentrieren, bei diesem entsetzlichen Krach, der aus dem Ostflügel kommt?«
    Mrs Nightwing hat keinen Sinn für unser Gejammer. Sie holt tief Luft und reckt den Kopf. »Wir machen unbeirrt weiter, genau wie England selbst. Wenn das englische Königreich Cromwell widerstehen, die Rosenkriege siegreich beenden und die Franzosen schlagen konnte, dann werden Sie, meine Damen, gewiss ein bisschen Gehämmer in Kauf nehmen können. Denken Sie daran, wie schön Spence sein wird, wenn der Ostflügel fertig ist. Wir wollen es noch einmal versuchen – unbeirrt! Alle Augen sind auf Sie gerichtet! Es geziemt sich nicht, sich Ihrer Majestät wie

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