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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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blitzen. Die Ranken ziehen sich weit genug zurück, dass auf dem Boden Platz zum Tanzen ist. Der Schimmel verschwindet und stattdessen spannt sich ein dunkelroter Teppich aus Beeren und Belladonna über die Wände und die Decke.
    Ann blickt ehrfürchtig in die Runde und lässt die Kapelle als Ganzes auf sich wirken. »Wie hast du das gemacht?«
    »Die Magie scheint sich zu verändern. Gemma ist nicht die Einzige, die über die Zauberkraft verfügt«, antwortet Pippa.
    »Das ist erstaunlich«, sagt Felicity und in ihrer Stimme ist ein Hauch von Traurigkeit. »Kannst du sie an die anderen weitergeben, so wie Gemma?«
    Pippa greift in eine dichte Traube von Beeren und sucht die größte heraus, um sie in den Mund zu stecken. »Nein. Noch nicht jedenfalls. Doch wenn ich einmal dazu imstande bin, dann kannst du sicher sein, dass ich sie unverzüglich mit jedem von euch teilen werde. Aber jetzt müssen wir uns auf unsere Debüts vorbereiten!«
    »Pippa«, sage ich schroffer als beabsichtigt, »kann ich dich kurz sprechen?«
    Pippa verdreht die Augen und die anderen Mädchen lachen auf meine Kosten. »Bin gleich wieder da«, sagt sie. »Ihr könnt inzwischen das Knicksen üben.«
    Pippa und ich steigen die Wendeltreppe in den Turm hinauf. Eine Maus hat sich in einem Spinnennetz verfangen. Sie liegt eingesponnen in einen durchsichtigen Seidenkokon und kann sich kaum bewegen. Sie weiß, welches Schicksal ihr blüht. Wir erreichen das Ende der Treppe und ich spüre die Kühle der Luft. In der Ferne winken die Schatten der Winterwelt. Aber heute Nacht lockt mich ihr betörender Sirenengesang nicht so sehr. Der Anblick des auf dem Boden liegenden Creostus ist noch frisch in meiner Erinnerung.
    Pippa steht am Fenster. Vor dem düsteren, wallenden Himmel der Winterwelt, mit einem rätselhaften Lächeln auf den Lippen, ist Pippa sogar noch schöner als sonst.
    »Nun, du scheinst mir nicht sehr glücklich, Gemma.«
    »Ich bin nur verwirrt. Wie hast du die Zauberkraft bekommen? Es ist Tage her, seit ich..«
    »Das hat nichts mit dir zu tun«, sagt sie und Hass schwingt in ihrer Stimme. »Die Magie hat in mir Wurzeln geschlagen. Ich kann nicht erklären, warum. Aber es könnte ein Glück für dich sein. Du solltest dich darüber freuen. Jetzt bist du nicht mehr so allein.«
    Pippa beugt sich aus dem Fenstergewölbe, streckt ihre Arme weit aus und lehnt sich gegen den heulenden Wind, der von den Bergen der Winterwelt weht.
    »Oh, das ist lustig!« Sie kichert.
    »Pip, komm herein«, sage ich besorgt.
    Pippas Augen werden milchig weiß. »Warum? Mir passiert nichts. Ich bin unsterblich.«
    Sie tritt vom Fenster zurück. Ihr Haar ist ein wildes Lockengewirr. »Gemma, ich will, dass du weißt: Obwohl ich deine Verbindung mit Circe nicht gut finde, bin ich bereit, dir zu verzeihen.«
    »Du … verzeihst mir?«, sage ich langsam.
    »Ja. Denn ich bin neugeboren und ich sehe alles ganz klar. Die Dinge hier werden sich ändern.« Lächelnd küsst sie mich auf die Wange und es kitzelt auf meiner Haut.
    »Pip, was sagst du da?«
    Ihre Augen flimmern wie eine Luftspiegelung – violett, bläulich-weiß, violett, bläulich-weiß –, bis ich nicht mehr sicher bin, was wahr ist oder nur eine trügerische Hoffnung in der Wüste.
    »Ich hatte selbst eine Vision. Das Magische Reich wird neu erstehen. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.«
    Pippa hakt sich bei mir unter und ich möchte ihren Arm am liebsten abschütteln und fortlaufen. »Ich gestehe, dass ich nicht weiß, was mit der armen Wendy geschehen soll«, sagt sie mit einem Seufzer. »Sie ist eine ziemliche Last geworden.«
    Meine Stimme ist ein Flüstern. »Wie meinst du das?«
    Pippa schürzt ihre vom Beerensaft fleckigen Lippen. »Sie hört Schreie, wo gar nichts zu hören ist. Niemand von uns hört etwas. Ich habe ihr gesagt, sie soll damit aufhören. Ich habe ihr sogar eine geschmiert.«
    »Du hast Wendy geschlagen?«
    Pippas Stimme klingt hart und entschlossen. »Sie erschreckt die anderen und dann hat niemand Lust zu spielen. Es gibt kein Geschrei; sie ist nur eigensinnig.«
    »Nur weil du es nicht hörst, heißt das nicht, dass es nicht da ist.«
    Pippas Gesicht nimmt diesen sanften, kindisch lächelnden Ausdruck an. »Oh, Gemma. Wann gehst du wieder mit mir in die Winterwelt? Das macht solchen Spaß. Mit der Medusa auf dem Schiff zu fahren. Über die Heide zu laufen und dem Baum Aller Seelen zu lauschen, der uns zuflüstert, wer wir wirklich sind, was wir tatsächlich werden

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