Karwoche
legte er auf. »Er hat versucht, hier anzurufen. Aber ihr habt das Telefon offenbar umgestellt.«
»Weil es sonst alle zwei Minuten klingelt.«
»Ich weiß. Aber Oliver hat was gefunden, das ihr euch ansehen solltet. Eine Videoaufnahme. Er hat sie gemailt.«
Kapitel 10
D as Video zeigte einen nächtlichen Parkplatz mit Transportfahrzeugen und den Eingang zu einem kleinen einstöckigen Verwaltungsgebäude. Neben der Tür hing ein Firmenschild, dessen Aufschrift nicht zu erkennen war. Ein Fenster des Gebäudes war erleuchtet, die anderen beiden dunkel.
Anfangs war nicht viel zu erkennen. Irgendetwas spielte sich jenseits des von der Kamera überwachten Geländes ab, in der Dunkelheit des im Hintergrund liegenden Gewerbegebietes. Links oben am Bildrand bewegte sich etwas hinter dem Maschendrahtzaun, der das Speditionsareal umgab. Ein Wagen tauchte hinter dem Zaun auf und wurde am Straßenrand geparkt. Jemand stieg aus und ging zum Eingang des Geländes. Der Timecode zeigte einundzwanzig Uhr vierzehn an. Rechts neben dem geschlossenen Einfahrtstor war eine Tür im Zaun. Der Unbekannte öffnete sie. Man konnte das Gesicht zunächst nicht erkennen, denn dieser Teil des Geländes war in Dunkelheit getaucht. Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude löste die Person einen Bewegungsmelder aus. Eine Lampe über dem Hauseingang schaltete sich ein und warf Licht auf die Gestalt. Es war eine Frau. Sie trug schwarze Jeans und eine schwarze Lederjacke. Ihr Gesicht war zweigeteilt. Die linke Hälfte war makellos, die rechte war entstellt, wie man selbst auf einem Video minderer Qualität sehen konnte.
»Hanna Lohwerk.« Janette sah zu Raubert, der sich den Schweiß von der Oberlippe wischte. Er schwieg und starrte ins Leere.
Lohwerk ging mit festen Schritten auf die Eingangstür zu und versuchte, sie aufzudrücken. Sie war offenbar verschlossen. Lohwerk klingelte, sprach etwas in die Gegensprechanlage, wartete. Nach zwanzig Sekunden wurde die Tür von jemandem geöffnet, der nicht vollständig ins Bild trat. Ein Vordach verdeckte sein Gesicht. Es folgte ein kurzer Wortwechsel, in dessen Verlauf Hanna Lohwerk aus ihrer Handtasche ein Blatt Papier zog und es dem anderen zeigte, der es kurz entgegennahm und Hanna Lohwerk gleich darauf zurückgab. Während des weiteren Gesprächs machte der Mann zwei Schritte nach vorn und enthüllte dabei der Kamera sein Gesicht. Es war Raubert. Schließlich wandte sich Hanna Lohwerk von Raubert ab und ließ im Weggehen mit großer Geste das Blatt Papier zu Boden fallen. Raubert hob es auf, betrachtete es ein paar Sekunden, schien beunruhigt. Nachdem er das Blatt sorgfältig zusammengefaltet und in seine Hose gesteckt hatte, sah er dem sich entfernenden Wagen von Hanna Lohwerk nach, öffnete das Einfahrtstor, bestieg einen Transporter und fuhr vom Gelände.
»Stopp!«, sagte Mike. »Ich will das Kennzeichen.« Janette hielt das Bild an. Das Kennzeichen war gut beleuchtet, jedoch so unscharf, dass man es nicht entziffern konnte. Mike wandte sich an Raubert. »Ist das der Wagen von heute Nachmittag?«
Raubert hatte die Hände vor der Brust verschränkt und schwieg.
»Meinst du, Vera kriegt das so scharf, dass man’s lesen kann?«
»Mit Sicherheit«, sagte Wallner. »Leider hat sie gerade Urlaub.«
Janette ließ das Video weiterlaufen. Das Bild veränderte sich nicht mehr. »Ich spul mal vor«, sagte Janette. Der Timecode setzte sich in Bewegung, Sekunden flogen, Minuten tropften, die Stundenanzeige sprang auf zweiundzwanzig. Das Bild blieb unverändert, bis auf zwei Stellen, an denen am oberen Bildrand ein Auto am Speditionsgelände vorbeifuhr. Um zweiundzwanzig Uhr sieben brach das Bild ab. Gegriesel füllte den Bildschirm.
»Wo ist der Rest der Nacht?«
»Jedenfalls nicht auf dieser Datei«, sagte Janette und klickte das Bild weg.
Mike rief Oliver an und bat um die fehlenden Videoaufzeichnungen. Fehlanzeige, sagte Oliver. Sie existierten nicht. Jemand habe um zweiundzwanzig Uhr sieben das Kabel der Überwachungskamera durchgeschnitten. Ab da sei Sendeschluss.
Die Anwesenden wandten sich Raubert zu. Dessen Gesicht verriet, dass er unangenehme Fragen auf sich zukommen sah.
Kapitel 11
R aubert schüttelte den Kopf. »Ich tät doch net das Kabel von der Kamera durchschneiden. Ich muss doch nur die Anlage ausschalten.«
»Da sprechen zwei Dinge dagegen: Erstens müssen Sie dazu zurück ins Gebäude, was die Kamera aufzeichnen würde. Zweitens wüsste man sofort, dass
Sie
die
Weitere Kostenlose Bücher