Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
Personen geachtet und den Rest des Bildes kaum wahrgenommen. »Da kommt es.« Mike deutete mit dem Finger auf die rechte obere Ecke des Bildschirms. Hier schob sich aus der Dunkelheit etwas ins Bild. Es hatte eine unklare Kontur, diffuse Streifen, kam sehr langsam heran, verharrte einen Augenblick und zog sich wieder zurück.
    »Was meinst du, was das ist?«, fragte Wallner.
    »Ein Auto. Ich hab einen Frame bearbeitet.« Janette setzte sich neben Mike und holte einen vergrößerten Standbildausschnitt aus den Tiefen des Rechners. Man konnte jetzt erkennen, dass die diffusen Streifen Spiegelungen auf dem Autolack waren.
    »Die Frage ist: Warum fährt es so langsam? Das ist Echtzeit. Aber der Wagen bewegt sich in Zeitlupe.« Mike begleitete die Fahrt des Wagens mit dem Zeigefinger.
    »Sieht so aus, als würde er vorsichtig um die Ecke lugen.«
    »Und fährt zurück, weil er selbst nicht gesehen werden will.«
    »Von Hanna Lohwerk?«
    Mike deutete durch eine Geste an, dass er das zwar für möglich, wenn auch unwahrscheinlich hielt. »Vielleicht will er auch von Raubert nicht gesehen werden.«
    »Oder so.«
    »Weder noch. Der Grund, warum der Wagen zurückgefahren ist, war ein anderer.« Janette ließ den Wagen noch einmal ins Bild fahren und hielt es dann an. »Wenn man genau aufpasst, dann kommt in diesem Moment die A-Säule des Wagens ins Bild. Das heißt, der Fahrer kann genau jetzt, wenn er sich vorbeugt, die Kamera sehen. Hanna Lohwerk steht hier, weiter links. Die war für den Fahrer schon ein paar Augenblicke früher zu erkennen. Wohingegen er Raubert vermutlich überhaupt noch nicht gesehen hat. Denn der ist noch vom Haus verdeckt.«
    »Das heißt, der Fahrer des Wagens wollte nicht von der Videokamera erfasst werden.« Wallner spielte mit einem Kugelschreiber.
    »Der oder die Unbekannte hat Hanna Lohwerk möglicherweise bis zur Spedition verfolgt. Und danach vielleicht auch.«
    »Du meinst, bis er sie dann umgebracht hat?« Mike war skeptisch.
    »Ja«, sagte Janette. »Ist das irgendwie unlogisch?«
    »Nicht gerade unlogisch«, sagte Wallner. »Der Täter müsste allerdings ziemlich schlau sein. Er sieht Hanna Lohwerk bei Raubert, sieht, dass sie von der Videokamera gefilmt wird. Er verfolgt sie, bringt sie um, kehrt zurück zur Spedition, schaltet die Kamera aus und verstaut die Leiche in einem der Transporter auf dem Parkplatz.«
    »Vielleicht hat der Wagen da oben in der Bildecke gar nichts mit dem Mord zu tun. Vielleicht war jemand auf der Suche nach einer Adresse. Vielleicht ist tatsächlich nur Raubert der Lohwerk nachgefahren, hat sie umgebracht und im Lastwagen verstaut. Und bevor er zurückgekommen ist, hat er die Videokamera abgeklemmt. Nicht besonders konsequent, nicht besonders schlau. Würde sich aber nicht unbedingt mit Rauberts geistigen Fähigkeiten beißen.«
    Janette druckte ein weiteres Dokument aus. Es war eine Liste von Namen. »Das sind die Verwandten des Opfers, soweit wir sie bis jetzt ermitteln konnten.«
    Mike betrachtete die Liste. »Die meisten leben in Kasachstan.«
    »Ihre Eltern waren Russlanddeutsche.«
    »Da kann man jetzt jedenfalls nicht anrufen. Da ist es mitten in der Nacht. Was ist mit dem Halbbruder in Göttingen?«
    »Ist verreist. Ich hab ihm auf die Box gesprochen, dass er zurückrufen soll. Müssen wir ihre engeren Freunde verständigen?«
    »Nein«, sagte Mike. »Aber wir sollten mit ihren Freunden reden.«
    Janette druckte eine weitere Liste aus und reichte sie Mike. »Ich hab mir von Oliver alle Nummern geben lassen, die im Handy des Opfers waren. Also auch, mit wem sie in letzter Zeit telefoniert hat. Die Namen sind nach Häufigkeit geordnet. Kennt ihr da einen?«
    Mike und Wallner warfen einen Blick auf die Liste. »Ach, schau an«, sagte Mike und tippte auf den Namen, der ganz oben stand.

Kapitel 12
    A ls sie in die kleine Straße einbogen, die den Berg hinaufführte, war es bereits dunkel. Nach einer Weile konnten sie die Lichter am Ufer des Schliersees von oben sehen. Die Straße wurde steiler, die Häuser am Straßenrand spärlicher. Wallner saß in seiner Daunenjacke auf dem Beifahrersitz und blickte in die Nacht hinaus, versuchte, sich in der Dunkelheit zu orientieren. An Weihnachten war er hier gewesen, aber nur kurz. Den Fall hatte Mike bearbeitet. Er kannte sich daher besser aus.
    Nach einer Weile tauchte ein schmiedeeisernes Tor im Scheinwerferkegel auf. Die Lampen auf den Torpfosten warfen ein gelbliches Licht auf die Einfahrt. Im Nordschatten der

Weitere Kostenlose Bücher