Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
Dreckhammel, der mistige, seinen Hackelstecken zwischen die Füß geschoben hat.«
    »Du hattest eine kleine Platzwunde am Kopf.«
    »Das nennt man Hirn aufgeschlagen in Bayern. Ich hätt genauso gut tot sein können. Der Kerl is unberechenbar und hinterfotzig. Ich bin dem doch schutzlos ausgeliefert.«
    »Ein bisschen hast du ja auch dazu beigetragen damals.«
    »Ich? Wieso? Was hätt ich denn g’macht?«
    »Hast du ihm nicht vorher einen Finger ausgerenkt?«
    »Des war doch a Spaß.«
    »Unglaublich lustig.«
    »Net, dass der Finger rauskemma is. Wir ham a bissl – wie sagt man: gerangelt. Zur Gaudi halt.«
    »Ihr habt euch um eine Wunderkerze gestritten. Zwei achtzigjährige Männer!«
    »Er hat net loslassen wollen. Was hätt ich denn machen sollen?«
    »Vielleicht – loslassen?«
    »Des hätt eahm passt!«
    Es war offensichtlich, dass dieses Gespräch zu nichts führen würde. Wallner schlug eine andere Richtung ein. »Na gut. Du bist also in München ausgestiegen und wieder zurückgefahren. Und dann?«
    »Ich bin a bissl in der Stadt rumgelaufen.«
    »Bist du da bei der Tafel vorbeigekommen?«
    »Tafel? Tafel?«
    »Wo sie Essen für arme Leute ausgeben.«
    »Ach
die
Tafel! Wie kommst jetzt da drauf?«
    Wallner ging zum Kühlschrank und holte sich ein Weißbier heraus. »Magst auch ein Weißbier?«
    »Ach sei so gut.«
    Wallner öffnete zwei Flaschen Weißbier und füllte sie in Gläser. »Miesbach ist eine Kleinstadt. Da bleibt keiner unbeobachtet.«
    »Scheint so.«
    »Also, du warst bei der Tafel, oder wie?«
    »Ja. Und?«
    »Ich hab mich nur gefragt, was du da machst?«
    »Ich hab halt mal geschaut, ob ich mich irgendwie nützlich machen kann.«
    »Sehr löblich. Du hast nie erzählt, dass du dich sozial engagierst.«
    »Mei – es ist ja nur ein kleiner Beitrag, den wo ich leisten kann. Um den Ärmsten das Leben ein bissl zu erleichtern. Grad jetzt, wo die Feiertage kommen. Aber ich möcht mich net damit brüsten. Tue Gutes und red net drüber. Das ist mein Motto.«
    »Gutes Motto. Wirklich.« Wallner nahm einen herzhaften Schluck von seinem Weißbier. »Was mich nur ein bisschen irritiert … wie soll ich’s ausdrücken?«
    Manfred sah Wallner aufmunternd an, als wollte er sagen: Nur frisch geredet, mir kannst du alles sagen.
    »Jemand meinte, du hättest da selber Lebensmittel abgeholt.«
    »Echt?« Manfred schien leicht verunsichert, starrte sein Weißbierglas an. »Unglaublich, was die Leut für einen Schmarrn reden. Oder?«
    »Vielleicht hat es der Betreffende auch nicht richtig gesehen. Aber wie kommt so ein Eindruck zustande?«
    »Vielleicht … Ach, ich weiß! Die ham mir an Apfel mitgeben. Ham sich bedankt, dass ich helfen hab wollen. Und dann ham sie gesagt, dann nimmst wenigstens an Apfel mit. Dass du net ganz umsonst da warst. Und das hat derjenige wohl gesehen. Wer war denn das überhaupts?«
    »Die Sennleitnerin. Die sagte auch, sie hätten dir die Sachen in eine …«, Wallner zögerte, sein Blick fing sich an einem Gegenstand auf der Anrichte, »… eine rote Tüte getan.« Dort auf der Anrichte stand eine rote Plastiktüte. Sie enthielt, wie Wallner jetzt feststellte, mehrere Äpfel, einen Viertellaib Brot, eine Packung Butter, Käse, Wurst und eine kleine Packung Kaffee. Wallner leerte die Tüte auf dem Küchentisch aus und sah Manfred an.
    »Die drängen dir des Zeug praktisch auf.«
    »Jetzt mal ernsthaft – was soll das? Unser Kühlschrank ist voll. Geld haben wir auch genug. Du musst nicht zur Tafel gehen.«
    Manfred kramte die Lebensmittel wieder zusammen und stopfte sie in die Tüte. »Ich bring sie ja zurück. Des war a Irrtum. Kann doch mal passieren.«
    »Irrtum? Was für ein Irrtum? Hast du versehentlich geglaubt, du bist obdachlos? Ich begreife, offen gestanden, nicht, was da passiert ist. Und das beunruhigt mich.«
    »Dann begreifst es halt net. Ist doch meine Sache.«
    »Nicht ganz. Ich werde ja drauf angesprochen.«
    »Dann sagst einfach, dein Großvater hätt sich letztes Silvester ’s Hirn ang’haut.«
    Wallner war fassungslos. Dass manche Menschen nicht der gleichen Logik folgten, die Wallner für gültig hielt, war ihm bekannt. Aber Manfred gehörte nicht zu diesen Menschen. Er war alt, aber ziemlich klar im Kopf. Die einzige Erklärung für sein Verhalten war: Er wollte Wallner etwas verheimlichen. Das konnte Wallner so auf keinen Fall stehen lassen. Aber er wusste, dass Manfred erst eine Nacht hinter sich bringen musste, um seine Verstocktheit

Weitere Kostenlose Bücher