Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
hundert Flaschen Obstler ab, um sie an Freunde zu verschenken oder zu verkaufen. Simons Brände waren wegen ihrer besonders rauhen Machart geschätzt. Männerschnäpse eben. Das Rauhe rührte daher, dass Simon Verschwendung verabscheute und viel von dem, was andere als Vor- und Nachlauf beim Brennen aussonderten, dem Brand zuschlug und so einen exorbitanten Anteil an Fuselölen in seinen Destillaten erzeugte. Simon verstand sich nicht nur aufs Brennen, sondern hatte seine Finger auch in allen möglichen anderen krummen Geschäften, die im Landkreis betrieben wurden. Er war daher eine sichere Quelle für delikate Informationen jeglicher Art. Allerdings war Onkel Simon nicht sehr freigiebig mit solchen Informationen und musste bisweilen gedrängt werden.
     
    Das Bauernhaus stammte aus dem siebzehnten Jahrhundert. Es war niedrig und geduckt, das flachwinklige Dach mit Wackersteinen beschwert, damit sich die Holzschindeln bei Sturm nicht in den nahegelegenen Bergwald verabschiedeten. Das untere Stockwerk war gemauert und verputzt, doch der Zahn der Zeit und die Gleichgültigkeit des Hauseigentümers hatten große Teile des Putzes verkommen lassen, so dass man Einblick in die Struktur des darunterliegenden Mauerwerks hatte. Von Bachkugeln bis zu Backsteintrümmern war alles verarbeitet worden, was den Erbauern in die Hände gefallen war. Die Fenster waren, soweit vorhanden, Originale, klein, mit Sprossen und einfach verglast. In der kalten Jahreszeit wurden Winterfenster davorgehängt und der Zwischenraum mit Moos ausgepolstert. Wo keine Fenster mehr waren, hatte man Bretter davorgenagelt. Um das Haus herum lagerten alte Traktorreifen, Zementziegel, verrostete Stacheldrahtrollen und eine Menge anderer Dinge, die scheinbar ohne Zutun einer ordnenden Hand ihren Platz gefunden hatten und nicht den Eindruck machten, als würden sie ihn je wieder verlassen.
    Simon war beim Ansetzen der Maische, die neben verfaultem Obst auch ein gerüttelt Maß an Zucker und Hefe enthielt, als Kreuthner die Werkstatt betrat. Sie befand sich im hinteren Teil des Hauses, wo einst der Kälberstall gewesen war. Schartauer hatte Kreuthner im Streifenwagen zurückgelassen. Das voraussichtlich stattfindende Gespräch konnte von Fremden leicht missverstanden werden. Simon schüttete einen Zehn-Kilo-Sack Zucker in ein großes weißes Plastikfass, das zu vier Fünfteln mit Maische gefüllt war.
    »Kruzifix, mach die Scheißtür zu!«, begrüßte er Kreuthner. Simon achtete peinlich genau auf eine Raumtemperatur von achtzehneinhalb Grad während des Gärvorgangs. Kreuthner beeilte sich, die Tür zu schließen. Es war die einzige dicht schließende Tür im gesamten Haus. »Ich hab erst nach Ostern wieder was.« Simon rührte mit einer Stange die Maische um.
    »Ich brauch nix. Ich wollt dich nur mal besuchen. Alles klar auf der Andrea Doria?«
    »Passt scho. Du willst doch irgendwas von mir.« Simon war ein dünnes, sehniges Männchen von fast siebzig Jahren mit riesigen, von Hornhaut überzogenen Arbeiterpranken. Er trug Jeans mit Hosenträgern, schwarze Gummistiefel und ein kragenloses, gestreiftes Hemd, dessen Ärmel er aufgekrempelt hatte, so dass man die von Muskelsträngen durchzogenen Unterarme sehen konnte.
    »Wieso glaubst du, dass ich was von dir will?«
    »Weil du net einfach so vorbeischaust. Verarschen kann ich mich selber.« Simon riss eine Packung Turbohefe auf und ließ deren Inhalt im Plastikfass verschwinden. Dann zündete er sich eine längliche, zur Hälfte gerauchte Zigarre an.
    »Ich wollt amal fragen, ob du an Wagen für mich weißt. Du kennst doch Leut, die wo einem was Günstiges besorgen können.«
    »Wie günstig sollt’s denn sein?«
    »Sehr günstig. Meinetwegen irgendwas aus’m Osten. Dacia oder so.«
    Simon sah seinen Neffen voller Argwohn an. »Dacia? Kein Mensch sucht an Dacia. Jedenfalls net so was, wie du suchst. Sag einfach, was du wirklich wissen willst.«
    Kreuthner steckte sich eine Zigarette an und blies Kringel in die Luft. »Es gibt ja Leut, wo immer mal schauen, ob irgendwo a Auto verlassen umeinandsteht.«
    »Aha? Gibt’s die?«
    »Ja, die gibt’s. Mich tät interessieren, ob so jemand in letzter Zeit an Dacia mit rumänischem Kennzeichen gesehen hat. Und wenn ja, wo.«
    »Da bist bei mir an der falschen Adresse. Woher soll ich so was wissen? Ich bin a einfacher Bauer.«
    »Seit wann bist denn du Bauer?«
    Simon wandte sich seiner Hefe zu und sagte nichts mehr.
    »Geh, Simon! Du hast in deinem Leben schon so

Weitere Kostenlose Bücher