Karwoche
mich an der Sache etwas irritiert ist Folgendes: Wir haben Fotos von diesem Haus hier in Hanna Lohwerks Wohnung gefunden.«
»Wundert mich nicht«, sagte Dieter. »Die verdammte Hexe hat uns verfolgt.«
»Ich verstehe nicht ganz, was das mit Ihrer vorangegangenen Frage zu tun hat«, sagte Katharina.
»Nun – die Fotos stammen teilweise vom Morgen des fünfundzwanzigsten Dezember. Sie müssen etwa um die Zeit gemacht worden sein, als Sie Ihre Tochter entdeckt haben. Schon ein bisschen eigenartig, dass Frau Lohwerk am Weihnachtstag in aller Herrgottsfrühe um Ihr Haus schleicht und Fotos macht. Hat jemand sie gesehen?«
Niemand antwortete.
»Sie hat ihr Leben zum großen Teil nachts gelebt«, sagte Wolfgang. »Wegen ihres entstellten Gesichts. Ich habe sie einige Male nachts oder früh morgens in der Nähe des Hauses getroffen.«
»Das hast du nie erzählt.« Katharina schien ernsthaft überrascht.
»Ich hab auch nie erzählt, dass ich die ganze Zeit Kontakt zu ihr hatte. Es hätte euch nur unnötig beunruhigt.«
»Wieso hattet ihr Kontakt?«
»Ich denke, sie wollte mich über die Familie aushorchen.«
»Ach so? Großartig!« Katharina lachte fassungslos.
»Was hätte ich ihr schon erzählen können? Passiert ja nie was in diesem Haus.«
Katharina schien das nicht zu besänftigen.
»Auf einem der Fotos sind Sie«, Wallner sah Wolfgang Millruth an, »zu sehen, wie Sie mit der Decke zum Stall gehen. Im Hintergrund ist der Schneepflug zu erkennen, der an diesem Tag – wir haben das recherchiert – zwischen Viertel nach sieben und halb acht hier vorbeigekommen ist. Das heißt, Sie haben die Leiche vor halb acht entdeckt. Das wiederum bedeutet: Sie haben eine Stunde gewartet, bevor Sie die Polizei verständigten.«
Katharina starrte etwas ratlos auf einen Punkt an der Wand. »Wir … es war ein großer Schock für uns alle. Irgendwie war keiner in der Lage, richtig zu reagieren.«
»Das heißt, Sie standen so unter Schock, dass erst eine Stunde später jemand in der Lage war, die Polizei zu rufen?«
»Ja. Letztlich war es wohl so.«
»Das hätten Sie der Polizei doch sagen können. Stattdessen haben Sie ausgesagt, Sie hätten die Leiche erst um halb neun gefunden.«
Katharina sah sich hilfesuchend um. Aber keiner der anderen sprang ihr bei. »Es hätte einen seltsamen Eindruck gemacht, dass wir so lange gewartet haben.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist keine Kritik. Aber ich glaube, es hätte mich in Ihrer Situation wenig interessiert, was für einen Eindruck ich mache.«
»Da haben Sie sicher recht. Aber wie gesagt – unter Schock tut man die seltsamsten Dinge.«
»Dafür, dass Sie unter Schock standen, haben Sie der Polizei ziemlich diszipliniert alle die gleiche Lüge über den Zeitpunkt des Leichenfunds erzählt.« Er wandte sich an Dieter. »Bis auf Sie. Aber das haben Sie dann korrigiert.«
»Herr Wallner …«, Katharina hob ihr Kinn nach oben, »… ich finde, Ihr Ton wird gerade höchst eigenartig. Wollen Sie uns irgendetwas unterstellen?«
»Ich bin weit davon entfernt, etwas zu unterstellen. Im Augenblick stelle ich nur Fragen. Die Schlussfolgerungen daraus werde ich mir sorgfältig überlegen. Aber ich kann Ihnen schon mal sagen, was dabei herauskommen könnte.«
»Da bin ich sehr gespannt«, sagte Adrian. »Ich rate Ihnen dringend, hier niemanden ohne Beweise zu verdächtigen. Abgesehen davon wüsste ich auch nicht, wessen Sie jemanden verdächtigen wollten.«
»Ich verdächtige im Augenblick niemanden. Nur – das, was ich bislang erfahren habe, nährt gewisse Zweifel in mir. Zweifel, ob das, was Sie der Polizei gesagt haben, der Wahrheit entspricht.«
»Wollen Sie uns alle als Lügner bezeichnen?«
»Wir haben doch gerade festgestellt, dass Sie die Polizei angelogen haben. Die Leiche wurde eine Stunde früher entdeckt, als Sie ausgesagt haben. Das nenne ich Lüge. Die Frage ist, was Sie in dieser Stunde gemacht haben. Da kann ich natürlich nur spekulieren. Dass Sie alle in Schockstarre herumgesessen sind, halte ich für – nun sagen wir – die unwahrscheinlichste Variante. Schon eher kann ich mir vorstellen, dass Sie sich beraten haben, was zu tun ist.«
Das Schweigen im Raum war mit Händen zu greifen.
»Dass Sie«, er sah Wolfgang an, »behaupten, Sie hätten die Fingerabdrücke von der Waffe gewischt, obwohl es Ihre eigene war, und sagen, Sie hätten Ihre Nichte bei Dunkelheit erschossen, obwohl doch zum Zeitpunkt der Tat Licht brannte, lässt mich
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