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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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groß, und es gab nicht viele Möglichkeiten, wo sich das Plüschtier befinden konnte. In fünfzehn Minuten hatte er alle in Frage kommenden Orte abgesucht. Das Ergebnis war negativ. Es gab nur eine Erklärung: Das Lamm war in Jennifer Loibls Reisetasche.
    Er hatte mit Komplikationen dieser Art gerechnet. Deswegen hatte er Jennifer nicht in ein Restaurant am anderen Ende der Stadt gebeten, wie ursprünglich geplant. Das hätte ihm zwar zwei Stunden Zeit verschafft, mehr als genug, um das Apartment zu filzen. Doch so oder so würden die quälenden Zweifel bleiben, ob Jennifer Loibl nicht bereits zu viel wusste. In diesem Fall wäre es günstiger, das Mädchen an einem Ort zu wissen, an dem man ungestört war.
    Als er vor die Tür trat, wehte ein warmer Frühlingswind die ersten Blütendüfte herbei. Der Himmel war blau und die Kirschbäume in den Vorgärten weiß. Er beschloss, die Fahrt ruhig angehen zu lassen. Er hatte alles so vorbereitet, dass sie auf ihn warten würde.
     
    Vor dem Spitzingsee stand sie im Stau. An einem zweiundzwanzig Grad warmen Ostersonntag war es nicht anders zu erwarten. Sie legte eine James-Blunt- CD ein, öffnete beide Seitenfenster und ließ das Schiebedach zurückfahren. Es gab keinen Grund zur Eile, er würde in der Hütte auf sie warten. Auch René würde wissen, dass man an einem Tag wie diesem mindestens zwei Stunden zum Spitzingsee brauchte.
    Als sie eine halbe Stunde später am See ankam, nahm sie die Straße Richtung Valepp und fuhr das enge Tal entlang. Nur noch die Spitzen der Berge waren von Schnee bedeckt. Sie bog in den Forstweg ab, so wie es in der SMS beschrieben war. Es dauerte nicht lang, und sie erreichte eine eiserne Schranke, vor der sie den Wagen abstellte und zu Fuß weiterging. Nach einem zehnminütigen Spaziergang durch den sehr einsamen Wald gelangte sie auf eine kleine Lichtung.
    Die Hütte lag in der fast sommerlichen Sonne, nur in einer schattigen Mulde hinter dem Haus befand sich noch Schnee. Die Fensterläden standen offen. Aber die Tür war verschlossen, und es war niemand zu sehen. Sie betrat die hölzerne Veranda. An der Tür war ein Briefumschlag mit einer Reißzwecke befestigt. Auf dem Umschlag stand in Großbuchstaben: FÜR JENNIFER . Ihr Herz klopfte, als sie ihn öffnete. Darin befand sich der Schlüssel zur Hütte.
    Bevor sie die Hütte aufsperrte, umrundete sie einmal das Haus, um zu schauen, ob René nicht in der Nähe war. Offenbar war er irgendwo unterwegs und wollte sie nicht draußen stehen lassen. Es war kein Mensch zu sehen oder zu hören. Nur das geschwätzige Treiben der Vögel drang an ihr Ohr, und am Ende der Lichtung blickte ein Reh scheu zur Hütte und verschwand dann im Wald.
    Das Innere der Hütte war genau so, wie es sich Jennifer für ein romantisches Wochenende vorstellte. Sehr viel Holz, ein bemalter Bauernschrank, antik. Ein Hüttenherd, mit dem auch geheizt wurde. Und trotz aller Romantik gab es Strom für Kühlschrank und Kaffeemaschine. Sie warf ihre Reisetasche auf die geschnitzte Eckbank aus Fichtenholz und suchte nach Kaffee und Filtern.
     
    Er entdeckte den MINI sofort auf dem Parkplatz. Die Reisetasche war nicht mehr auf dem Rücksitz. Die Motorhaube war allerdings noch warm, was ihn wunderte. Hatte sie einen Umweg gemacht?
    Er wartete zehn Minuten ab, denn er wollte ihr nicht schon im Wald begegnen. Dann machte er sich zu Fuß auf den Weg, obwohl er einen Schlüssel für die Schranke hatte. Alles, was er brauchte, war in der Hütte. Nur Klebeband und Rohypnol hatte er nebst einem T-Shirt zum Wechseln und zwei großen Müllsäcken in seinem Rucksack.
     
    Jennifer Loibl saß barfuß auf der sonnenbeschienenen Veranda. Sie hatte sich einen Kaffee gemacht und blickte auf die Berge, die hinter den Baumspitzen des Waldes hervorlugten. Sie überlegte, ob sie René anrufen und sagen sollte, dass sie da war. Nach kurzem Zögern entschied sie, dass das nicht zu aufdringlich war. René würde sich bestimmt freuen, von ihrer Ankunft zu hören. Als sie die Nummer gewählt hatte, meinte sie, aus der Ferne ein Klingelgeräusch zu hören. Vielleicht war es auch nur ein Vogel gewesen. René ging jedenfalls nicht dran, und sie sprach ihm auf die Box, dass sie an der Hütte angekommen sei.
     
    Der Anruf hatte ihn erschreckt. Er war bereits in Sichtweite der Hütte. Das Klingeln hatte sie vermutlich auch gehört. Er hatte das Handy gegen seinen Bauch gedrückt und mit den Händen so gut es ging abgeschirmt. Wenn er es ausgemacht hätte,

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