Karwoche
wäre sie womöglich stutzig geworden, wobei das im Grunde genommen nun nicht mehr von Belang war.
Als sie seine Box besprochen hatte und auf den Knopf mit dem roten Hörer drückte, bewegte sich etwas am unteren Waldrand. Jennifer stand auf und blickte dem Ankömmling freudig entgegen, bis sie merkte, dass es nicht René war, sondern ein Wanderer, der da des Weges kam. Und wie der Mann näher kam, sah sie, dass sie ihn kannte.
»Hallo! Das ist aber eine Überraschung«, sagte sie, als er lächelnd vor der Veranda stand.
»Ich mache meinen Osterspaziergang. Was machst du hier?«
»Das ist die Hütte eines Freundes. Er hat mich über Ostern eingeladen.«
»Schön. Hast gutes Wetter erwischt.«
»Ja. Es ist zauberhaft. Willst du einen Kaffee? Hab gerade welchen gemacht.«
»Ich will nicht stören.«
»Tust du nicht. Mein Freund ist gerade nicht da.«
Sie tranken Kaffee und sprachen darüber, was es für ein Zufall sei, dass man sich heute schon wieder traf. Er sagte, er glaube nicht an Zufälle. Sie sagte, sie auch nicht. Aber sie wüsste auch nicht, was das Schicksal ihnen damit zu sagen beabsichtigte. Er blieb vage, was das anbetraf.
»Wie war die Fahrt hier raus? Ziemlicher Stau, was?«
»Ja. Ist aber normal an so einem Tag.«
»Stimmt. Bist du in einem Stück durchgefahren?«
Sie sah ihn überrascht an. »Nein. Ich habe noch schnell bei Bekannten vorbeigeschaut. Aber wie kommst du da drauf?«
»Keine Ahnung. Ich weiß wirklich nicht, warum ich die Frage gestellt habe. Zufall war’s wohl nicht.«
Sie lachte. »Nein. Wahrscheinlich nicht.«
Er verabschiedete sich kurz auf die Toilette und zog die Hüttentür hinter sich zu. Er brauchte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann sah er die Reisetasche auf der Eckbank. Er öffnete den Reißverschluss und zog den Spalt auseinander. Es war schnell klar, dass die Tasche außer Kleidungsstücken, einem Kulturbeutel und ein paar Kondomen nichts enthielt. Er hatte die Tasche praller in Erinnerung. Vermutlich war das Lamm noch darin gewesen, als sie ins Auto gestiegen war. Wo war es jetzt? Im Wagen? Oder hatte sie es unterwegs weggeschafft? Vielleicht bei den Freunden gelassen?
Kurz bevor er wieder auf die Veranda trat, hörte er ein Handy klingeln. Als er die Tür öffnete, hielt ihm Jennifer Loibl sein Telefon entgegen.
»Da ist eine Nachricht für dich eingegangen. Entschuldige, dass ich es aus deiner Jackentasche genommen habe.«
Ihr Blick fiel auf das Display. »Das ist ja witzig. Da hat eine Jennifer angerufen!« Sie sah ihn an, als hätte sie gerade im Lotto gewonnen.
»Es ist ein Naturgesetz, dass Koinzidenzen immer gehäuft auftreten. Wusstest du das?«
»Echt?«
»Hab ich mal gelesen.« Er schaltete das Handy aus.
»Willst du es gar nicht abhören?«
»Nein. Von Jennifer kommen nie gute Nachrichten. Von der jedenfalls nicht. Das hat Zeit bis morgen.« Er steckte das Handy in seine Hosentasche. »Was waren das für Freunde, die du besucht hast?«
»Kennst du nicht. Die wohnen auf dem Weg hierher.«
Er überlegte, ob er weiterbohren sollte. Doch klingelte in diesem Augenblick ein anderes Handy. Es war das Gerät mit seiner eigenen Karte. Es befand sich in der Innentasche seiner Jacke, die über der Stuhllehne hing. Jemand hatte ihm auch hier auf die Box gesprochen. Diesen Anruf hörte er ab. Was er hörte, machte ihn kurz nachdenklich. Dann setzte er wieder ein Lächeln auf. »Möchtest du noch einen Kaffee?«, fragte er sie.
»Weiß nicht. Ich hab schon so viel Kaffee getrunken.«
»Ach komm. Ich trink ungern allein.«
»Na schön. Ich hol uns noch einen.«
»Nein, nein.« Er stand auf und drückte sie mit der Hand auf die Bank zurück. »Ich mach das. Halt du mal dein hübsches Gesicht in die Sonne.«
Er nahm seinen Rucksack mit in die Hütte. Als er ihre Kaffeetasse gefüllt hatte, versenkte er zwei Rohypnol darin und half ihnen mit einem Löffel beim Auflösen. Die Dosis war sehr stark. Es sollte schnell und zuverlässig wirken.
»So, runter damit, bevor er kalt wird«, sagte er und prostete ihr mit seiner eigenen Kaffeetasse zu.
Kapitel 52
W allner hatte angeboten, beim Bäcker frische Semmeln für das Osterfrühstück zu holen. Während er in einer langen Schlange vor dem Laden stand, rief er Vera an. Sie klang müde und sagte, Christians Zustand sei unverändert. Wallner versprach, nach dem Frühstück zu ihr zu kommen. Kaum hatte er aufgelegt, rief Mike an und fragte, ob Wallner kurz
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