Kassandra Verschwörung
»Vielleicht binde ich Ihnen ja nur einen Bären auf und hab die Mitte der Zielscheibe selbst rausgerissen?« Er lachte kurz auf. »In einer Stunde mache ich auf«, wiederholte er und ging weg. Elder sah ihm nach.
Eine Wanderkirmes. Welche Verbindung konnte die Hexe möglicherweise zu einer Wanderkirmes haben? Keine, die er sich vorstellen konnte. An so jemanden würde ich mich erinnern . Rosa Pellengro hatte sehr sicher geklungen. Absolut sicher. Aber immerhin galt sie ja auch als eine Hellseherin. Er fragte sich, ob es sinnvoll sei, die Kirmes zu überwachen. Vielleicht war die Hexe hier gewesen. Und wenn ja, käme sie vielleicht zurück – vielleicht aber auch nicht.
Er war in einer nachdenklichen Stimmung, als er Doyles Auto erreichte. Irgendwo in der Ferne kreischten zwei Möwen. Ihre großzügige Hinterlassenschaft auf Windschutzscheibe und Motorhaube war nicht zu übersehen. Elder seufzte. Zeit, sich auf die Suche nach einer Waschanlage zu machen.
»Ich bin froh, dass Sie anrufen«, sagte Michael Barclay in den Hörer.
»Und wer war die reizende französische Dame?«, fragte Dominic Elder.
»Die Mutter meiner Kollegin.« In diesem Moment kam Dominique selbst in den Flur und reichte Barclay ein Glas kaltes Bier. Er prostete ihr damit zu. Es war wieder ein langer Tag gewesen.
»Wenn Sie froh über meinen Anruf sind«, fuhr Elder fort, »nehme ich an, dass Sie entweder in Schwierigkeiten stecken oder an etwas Interessantem dran sind.«
»Vielleicht beides«, entgegnete Barclay. »Nach dem Verwanzen von Separts Wohnung habe ich einige seiner Disketten kopiert.«
»Kluges Kerlchen.«
»Jede Wette, dass Joyce Parry das anders sehen würde. Aber egal, wir haben alles gelesen. Das meiste sind Ideen für Comicstrips, aber es gibt auch jede Menge persönliche Korrespondenz und darunter auch ein paar Briefe an Wolf Bandorff.«
»Interessant.«
»Darin geht es um eines von Separts Projekten, ein Comicbuch über Bandorffs Leben.«
»Die Welt ist ein merkwürdiger Ort, Michael. Und? Was sagt uns das?«
»Es stellt eine Verbindung zwischen Separt und dem einstigen Lehrer der Hexe her.«
»In der Tat. Es ist beinahe so, als ob sie wieder zu ihren Ursprüngen zurückkehrte.«
»Wie bitte?« Barclay hatte sein Bier ausgetrunken. Er hielt sich das kalte Glas an die Wange, als wäre es ein zweiter Telefonhörer.
»Sie hat zunächst in Großbritannien gelebt, sich jedoch schon in jungen Jahren Bandorffs Bande angeschlossen. Die Verbindung scheint immer noch zu bestehen.«
Barclay war sich noch nicht sicher, worauf Elder hinauswollte. »Sie haben mir geraten, jeder Idee bis zum Ende nachzugehen.«
Es entstand eine Pause. »Sie denken daran, einen weiteren Ausflug zu machen?«
»Ja. Glauben Sie, dass ich das bei Mrs. Parry durchbekäme?«
Er überlegte einen Moment. »Offen gesagt, halte ich das für ziemlich unwahrscheinlich. Es ist zu weit außerhalb unseres Territoriums.« Er hielt inne. »Doch vielleicht gibt es eine Möglichkeit.«
»Nämlich?«
Elders Stimme schien ein wenig schwächer geworden zu sein. »Sie haben sie doch schon mal angelogen, oder...?«
Dominique hatte ihre Telefonate allesamt getätigt. Jetzt musste Barclay noch einen Anruf hinter sich bringen, bevor er sie zum Abendessen ausführte: Er musste mit Joyce Parry reden.
Elder hatte recht gehabt, er hatte sie bereits angelogen. Na ja, man konnte auch sagen, er hatte es mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Doch diesmal würde er ihr eine faustdicke Lüge auftischen. Er ging seine Geschichte im Kopf noch einige Male durch, bevor er schließlich zum Hörer griff.
»Joyce Parry am Apparat.«
»Michael Barclay.«
»Ah, Michael, ich habe mich schon gefragt, wo Sie abgeblieben sind.«
»Tja, hier ist im Moment nicht viel los.«
»Dann befinden Sie sich also auf dem Rückweg?«
»Äh... nicht ganz. Gibt es irgendwelche Fortschritte?«
»Die Special-Branch-Männer und Mr. Elder sind noch in Cliftonville. Ein Lastwagenfahrer hat eine Anhalterin aufgegabelt und dort abgesetzt, wussten Sie das? Wie es aussieht, wurde Mr. Elder in einem Pub der Stadt eine Nachricht hinterlassen.«
»Eine Nachricht?«
»Eine vage Drohung, unterzeichnet mit der Initiale H.«
»Mein Gott, das muss ihn ziemlich aufgewühlt haben.« Er schluckte. Um ein Haar wäre ihm herausgerutscht: »Das hat er mir gar nicht erzählt.«
»Als ich mit ihm gesprochen habe, schien er die Ruhe selbst zu sein. Also, was ist nun mit Ihnen?«
Er schluckte
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