Kassandra Verschwörung
Gesäßtasche und begann zu wählen; die Nummer las er von seinem Zettel ab.
»Kann das nicht noch einen Moment warten?«, beschwerte sich der Kellner. »Ich habe hier eine große Bestellung. Die Gäste sehen so aus, als würden sie ein dickes Trinkgeld springen lassen.«
»Keine Sorge, Terry. Wenn das hier ein Treffer ist, gebe ich dir persönlich ein Trinkgeld.« Der Barkeeper lauschte dem Wählton. »Geht keiner dran«, murmelte er. »Typisch Char... Hallo? Wer ist da? Wie bitte? Herrgott noch mal! Hallo Chris. Wo arbeitest du? Ja, kenne ich, in der Charing Cross Road. War mal ein guter Pub.« Er hörte zu, lachte. »Okay, okay, es ist immer noch ein guter Pub, vor allem seitdem du da arbeitest. Sag mal, ist Charlie Giltrap zufällig da?« Sein Gesicht verfinsterte sich. »Oh, das ist aber schade. Er wollte, dass ich nach jemandem Ausschau halte – oh, super, kann ich kurz mit ihm reden?« Der Barkeeper bedeckte mit seiner Hand die Sprechmuschel. »Er ist gerade reingekommen«, teilte er dem Kellner mit. »Schwein gehabt.«
»Tja, und meine Kundschaft dürfte inzwischen wohl auf dem Weg nach draußen sein.«
Der Barkeeper hob die Hand und bedeutete seinem Kollegen zu schweigen. Der Kellner drehte sich um, da drei weitere Gäste das Bistro betraten. »Hallo? Charlie? Ich bin’s, Andy. Hör zu, ich hab nicht viel Zeit. Ich sollte doch die Augen nach einem gewissen Kerl offen halten. Er ist gerade hier.« Er starrte auf die Ecke, um die der Holländer verschwunden war. »Ja, es ist der Richtige, Charlie. Er ist jetzt hier. Alles klar, bis dann.« Er legte auf und stellte das Telefon wieder unter die Theke. »Jetzt zu dir, Terry, wie lautete die Bestellung?«
»Zwei Flaschen Chablis.«
Der Barkeeper schüttelte den Kopf. »Versuch’s mit etwas anderem, Junge. Ich habe gerade die letzte Flasche rausgegeben.«
Die Hexe und der Holländer unterhielten sich in ihrer Ecke. Die Hexe hatte einen Platz in der Nähe eines der Wandlautsprecher gewählt. Die Musik in dem Bistro war zwar nicht laut, aber laut genug, um potenzielle Lauscher am Mithören zu hindern.
Sie hielt inne und kostete den Wein. »Gut«, sagte sie. »Und mein kleines Paket ist gut aufgehoben?«
»Das Paket, das meine Männer in dem Haus abgeholt haben? O ja, es ist bestens verstaut. Sicher und wohlbehalten. Ich habe es in einer Garage deponiert.«
»Das will ich gar nicht wissen. Ich wollte nur wissen, ob es sicher aufbewahrt ist.«
»Seien Sie ganz beruhigt.«
Die Hexe nickte. Sie erinnerte sich an das heiße Bügeleisen in Christine Jones’ Hand. Der erste Fehler.
»Brauchen Sie sonst noch irgendwas?«, fragte der Holländer.
Die Hexe schüttelte den Kopf. »Ich bin bereit.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Und wann werden Sie...?« Er hob entschuldigend die Hand. »Tut mir leid, das muss ich vermutlich nicht wissen, oder?«
»Nein, das müssen Sie nicht.«
»Und Sie sind sich über alles im Klaren? Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr behilflich sein?«
»Nein.«
»Gut, Sie erreichen mich unter meiner Telefonnummer bis... na ja, bis der Auftrag erledigt ist.«
Sie nickte und nahm noch einen Schluck Wein. Ihr Glas war beinahe leer. Der Holländer schenkte ihr nach. Dann hob er sein Glas.
»Auf die freie Welt«, sagte er.
Sie lächelte. »Auf die Liebe.« Sie nippte von ihrem Wein.
»Auf die Liebe«, wiederholte der Holländer. Er konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Sie war unglaublich. Ihre erste – und bisher einzige – Begegnung hatte in Paris stattgefunden. Die anfängliche Besprechung des Auftrags. Er hatte ihr vorgeschlagen, eng zusammenzuarbeiten, doch sie hatte abgelehnt. Sie arbeite lieber allein, war ihr Kommentar gewesen. Als er ein wenig mehr über sie in Erfahrung gebracht hatte – das meiste wusste er nur vom Hörensagen, aber aus zuverlässigen Quellen -, war ihm klar, dass es der Wahrheit entsprach. Sie war eine Einzelgängerin, ein Mysterium. Eigentlich existierte sie gar nicht, doch etwa einmal pro Jahr wurde irgendeine Gräueltat verübt, ein Mord oder ein Bombenanschlag, jemand verschwand oder brach aus dem Gefängnis aus, und anschließend wurde »sie« genannt. Alle nannten sie nur sie . »Sie hat wieder zugeschlagen.« »Wer war das?« »Wir vermuten, dass sie dahintersteckt.« Man erzählte sich hinter vorgehaltener Hand Geschichten, der Mythos wuchs.
Und jetzt saß er hier mit ihr bei ihrer zweiten und zugleich letzten Besprechung. Seit ihrem Treffen in Paris hatte sie sich vollkommen
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