Kassandra Verschwörung
sechs Jahre her war und ihr die mögliche Verbindung nur als vage Idee in den Sinn gekommen war. Es gab keinen Beweis, dass die Hexe sich tatsächlich in Großbritannien aufhielt. Wahrscheinlich würde es auch keinen Beweis geben, bis sie oder er oder die terroristische Gruppierung in Aktion trat. Doch dann wäre es zu spät. Natürlich. Barclay hätte mit ihr reden sollen, bevor er die Special Branch kontaktiert hatte. Einen gewissen Teil der Schuld würde er zu tragen haben, aber nicht genug, um sie vor dem erzwungenen Rücktritt von ihrem Posten zu bewahren... Sie schauderte bei dem Gedanken. Sie hatte hart dafür gearbeitet, dahin zu kommen, wo sie war, härter, als irgendein Mann hätte arbeiten müssen, um in die gleiche Position zu gelangen.
Sie brauchte Bill Trilling nicht als Feind; sie brauchte ihn als Freund. Aber sie sollte verdammt sein, wenn sie vor ihm zu Kreuze kriechen, ihn um etwas bitten oder sich auch nur gekünstelt freundlich geben würde. Sie würde sich nicht verleugnen. Wenn er half, würde er es tun, weil es im allgemeinen Interesse lag, und nicht, weil sie »bitte« zu ihm gesagt hatte. Jawohl, sie war stur. Dominic hatte immer erklärt, ihre Sturheit sei ihre am wenigsten anziehende Eigenschaft.
Mit ihm musste sie reden.
Verfügte Dominic über den Schlüssel? Sie sollte sowieso mit ihm über sein Treffen mit Barclay sprechen. Sie fragte sich, was er wohl von Michael Barclay hielt... Obwohl sie glaubte, die Antwort bereits zu kennen. Aber es wäre trotzdem interessant, es von ihm selbst zu hören. Außerdem wusste Dominic unglaublich viel über die Hexe – oder meinte zumindest, unglaublich viel über sie zu wissen. Sie brauchte Freunde. Sie brauchte Leute, die für sie arbeiteten anstatt gegen sie. Wenn die Hexe im Land war, und sie sie fassen wollten, müssten sie jede Hilfe annehmen.
Sie griff nach dem Hörer und wählte aus dem Kopf seine Nummer. Ihre Bemühungen wurden mit einem durchgehenden Ton quittiert: Nummer unerreichbar. Sie überprüfte seine Telefonnummer im Computer und stellte fest, dass sie die letzten beiden Ziffern verdreht hatte. Sie wählte erneut. Diesmal nahm er beim ersten Klingeln ab.
»Hallo, Dominic. Ich bin’s, Joyce.«
»Hallo. Ich habe deinen Anruf schon erwartet. Ich habe an dich gedacht.«
»Aha?«
»Es ist heutzutage schwer, gutes Personal zu finden, stimmt’s?«
»Dann hältst du also nicht viel von Barclay.«
»Sagen wir, er erschien mir... naiv.«
»Waren wir das nicht alle mal?«
Er ging darüber hinweg. »Das Schlimmste sind diese Computer. Die Leute hocken den ganzen Tag davor und denken, sie hätten die Antwort auf alles.« Joyce starrte seine Telefonnummer auf ihrem Bildschirm an und lächelte über seine Bemerkung. »Dabei sind sie nur Werkzeuge. Die Leute gehen einfach nicht mehr raus.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, je rausgegangen zu sein.«
»Komm schon, Joyce, du warst – wie lange, fünf Jahre? – Feldagentin.«
»Als ob mir das was gebracht hätte.«
»Es hat deinen Horizont erweitert.«
»Ich musste auch einen ziemlich weiten Horizont haben, Dominic, um mit dir zusammenarbeiten zu können.«
»Der Witz ist zehn Jahre alt, Joyce.«
»Dann lass uns das Thema wechseln. Du konntest Barclay also nicht weiterhelfen?«
»Er hat nicht wirklich begriffen, was ich ihm erzählt habe.«
»Hast du mit ihm nun über die Hexe geredet oder nicht?«
»Ich habe ihm alles über die Hexe erzählt. Aber es wird uns nicht viel bringen. Wenn du meine Hilfe brauchst, Joyce, hier bin ich. Ich eile da hin, wo immer du mich haben willst, du musst nur ein Wort sagen.«
»Vielleicht komme ich darauf zurück, Dominic.«
»Mach das.«
»Ich bin nicht sicher, ob es ein Budget für einen freien Mitarbeiter gibt.«
»Ich will kein Geld, Joyce. Ich will sie .«
Joyce Parry lächelte. Gut, er hatte Feuer gefangen. Mehr noch, er war besessen. Riss sie nur eine alte Wunde wieder auf, oder konnte sie ihm helfen, die Dämonen auszutreiben?
»Ich rufe dich an«, sagte sie nur. »Hast du schon irgendwelche Vorschläge zu machen?«
»Ich nehme an, die Special Branch kümmert sich um die englische Seite, oder?«
»Im Moment ja.«
»Dann würde ich ihnen dieses Feld erst mal überlassen. Wie wär’s damit, jemanden nach Calais zu schicken?«
»Warum?«
»Es war ihr Ausgangspunkt für diesen Trip. Vielleicht weiß irgendjemand etwas.«
»Die Special Branch hat schon jemanden hingeschickt.«
»Na und? Irgendeinen Detective von Scotland
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