Kassandra Verschwörung
politische oder propagandistische Ziele verfolgt.« Er zuckte bescheiden mit den Achseln. »So ähnlich jedenfalls.«
»Wie ich sagte, Sir«, stellte Doyle mit einem Zwinkern an Trilling gewandt fest, »ich habe ihm einiges beigebracht.« Dann an Greenleaf gewandt. »Du machst dich gut, John. Hauptsache, du vergisst nicht, wer dir das alles beigebracht hat.«
»Wie könnte ich?«, entgegnete Greenleaf.
Die letzte Ausgabe des Evening Standard an diesem Tag brachte die Geschichte genauso wie alle anderen Abendzeitungen im Land. In Edinburgh und Glasgow wurden die jeweiligen Abendausgaben der dortigen Zeitungen den Händlern förmlich aus den Händen gerissen. Die Radionachrichten weiteten ihre Berichterstattung vom Vortag über den Mord noch einmal aus, und auch die Fernsehsender legten sich keine Zurückhaltung auf, als immer weitere Details durchsickerten. Die Straße, an der Khans Haus lag, musste in beiden Fahrtrichtungen gesperrt werden, um die Schaulustigen daran zu hindern, die Straße vor dem Haus zu blockieren.
Auf dem Feld gegenüber dem Haus hatte man unter einem Telefonmast eine mobile Hebebühne aufgestellt, wie sie von Feuerwehrmännern zur Brandbekämpfung oder von Mitarbeitern der Stadtwerke zum Austausch der Glühbirnen in Straßenlaternen verwendet wird. Die Bühne war bis zur Spitze des Masts ausgefahren, sodass sich zwei Kripobeamte (die beide Höhenangst hatten und sich an der Sicherheitsstange festhielten) von einem Techniker der British Telecom zeigen lassen konnten, wie die Drähte, die zu der in Khans Haus installierten Alarmanlage führten, durchtrennt worden waren. Zuvor hatten bereits Mitarbeiter der Spurensicherung die ruckelige Fahrt hinauf zur Spitze des Telefonmasts absolviert und dort die Verteilerdose auf Fingerabdrücke untersucht und die einzelnen Abschnitte des hölzernen Masts fotografiert, wobei sie besonderes Augenmerk auf die von den Spikesohlen herrührenden Löcher und die von irgendeiner Art Gurt verursachten Abschabungen gelegt hatten. Der Techniker tat seine Meinung kund.
»Es muss irgendein Telefontechniker gewesen sein«, stellte er gegenüber den beiden Beamten der Mordkommission klar. »Es kann gar nicht anders sein. Er hatte die erforderliche Ausrüstung und wusste genau, was er tat.« Die Kripobeamten behielten es für sich, dass er sich sogar im Geschlecht des Täters irrte. Sie wollten so schnell wie möglich zurück nach Dundee in ihre Stammkneipen, wo genug Leute scharf darauf waren, die Einzelheiten der Geschichte zu erfahren. Sie bemitleideten ihre armen Kollegen, die man losgeschickt hatte, um herauszufinden, woher die selbstklebende Plastikfolie und die verwendete Gartenschnur stammten, wobei sie keinen einzigen Gemischtwarenladen und kein Gartencenter auslassen durften. Doch zumindest befanden sich Gartencenter auf festem Boden und nicht in luftiger Höhe zwölf Meter über der Erde …
In London saß Joyce Parry in einem Bahnhofsrestaurant, trank Tee und war tief in Gedanken versunken. Im Laufe ihrer zahlreichen Telefonate, die sie an diesem Tag und am Abend zuvor geführt hatte, war bei keinem ihrer Gesprächspartner im Hinblick auf Khans Tod übermäßig viel Mitleid aufgekommen. Er stellte einen Verlust dar, aber nur als Informant, nicht als Mensch. Seine Informationen waren nützlich gewesen, aber sie konnten auch auf andere Weise beschafft werden. Das Government Communications Headquarter, der Aufklärungsgeheimdienst, hatte bereits jede Menge Daten geliefert, und Khans Informationshäppchen hatten häufig nur dazu gedient, sowieso schon Bekanntes zu bestätigen. Die Geheimdienste anderer Länder lieferten Informationen über die Operationen der Bank im Ausland. Joyce Parry hoffte, dass die Bank wegen Khans Abgang nicht in Schwierigkeiten geriete. Sie hatte schon die Aufmerksamkeit der Behörde zur Aufklärung schweren Betrugs von der Bank ablenken müssen. Wenn die Drogenbarone und kriminellen Kartelle ihr Geld von der Bank abzogen – tja, dann würden die Geheimdienste wieder ganz von vorn anfangen müssen: die neue Bank lokalisieren, neue Operationsbasen errichten, um die Bank zu kontrollieren. Das war alles sehr zeitraubend, teuer und anfällig für Rückschläge.
Nein. Joyce Parry hoffte, dass die Dinge blieben, wie sie waren. Sie hoffte es inständig.
Sie trank ihren Tee, obwohl Tee nicht wirklich die zutreffende Bezeichnung für die Flüssigkeit war, die da vor ihr stand. Auf der Speisekarte wurde das Getränk als Tee aus
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