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Kassandras Fluch

Kassandras Fluch

Titel: Kassandras Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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fragte Fatima. Diese Worte schockten mich. Plötzlich floß Eis über meinen Rücken. Ich hörte sie tatsächlich nicht atmen. Auch bei ihrem Tanz hatte sie keine Erschöpfung gezeigt, sie hatte sich bewegt wie ein Roboter. Konnte sie möglicherweise ein Zombie sein, eine lebende Tote?
    Ihre Lippen zuckten, bevor sie fragte: »Wißt ihr nun Bescheid? Ist es klar für euch?«
    Ich zwinkerte mit den Augen. »Wie alt sind Sie, Fatima? Wie alt genau? Können Sie uns das sagen?«
    »Nein, aber fast hundert Jahre. Und ich sehe immer noch so aus wie mit dreißig.«
    »Der Stein?«
    »Ja, er.«
    Was sollten wir tun? Wir mußten ihn haben, Sir James brauchte ihn, es hing eine Menge davon ab, auch wenn wir bisher nur Fragmente erfahren hatten, wie den Namen Kassandra. Ein Zurück gab es für uns nicht, und wir konnten auch auf Fatima keine Rücksicht nehmen. Vielleicht wollte sie das auch nicht. Sie kam mir vor wie jemand, der mit seinem Dasein abgeschlossen hatte, der sterben wollte, und das in einem tristen Zimmer ohne Fenster und stickiger Luft, in dem jedes Atemholen zur Qual wurde.
    »Bitte!« Sie sagte das eine Wort voller Traurigkeit und öffnete die Hälften des Mantels noch weiter. »Bedienen Sie sich. Nehmen Sie das, weshalb Sie hierhergekommen sind. Ich werde Sie daran nicht hindern, Mister.«
    »Und weiter, Fatima?«
    Die Antwort klang klar, ihre Stimme war dabei kalt. »Es geht nicht mehr weiter. Heute ist mein Ende gekommen. Nehmen Sie es schnell, sehr schnell. Ich bin beliebt hier, und Sie beide sind fremd. Es könnte Ärger geben.«
    »Man hat uns beobachtet?« fragte Suko, der sofort geschaltet hatte.
    »Es entgeht den Menschen hier nichts, gar nichts. Sie haben manchmal vier Augen.«
    »Wer soll es machen?« fragte ich.
    »Du hast den Stein von Spinosa genommen, John. Laß mich es diesmal tun.«
    Ich hatte nichts dagegen, trat zur Seite, um Suko vorbeizulassen. Fatima hielt ihr Versprechen. Sie blieb stehen, weit ausgebreitet den Bademantel, so präsentierte sie uns ihren nackten Körper, und sie sagte kein einziges Wort, als sie Sukos Hände an ihren Hüften spürte. Er zögerte noch, ließ dann seine Finger nach innen über die Haut wandern und tastete nach dem Steindrittel.
    »Zieh es ab!« flüsterte Fatima, »zieh es ab. Aber beeil dich. Laß mich nicht warten, aber laßt euch sagen, daß der Besitz dieses Gegenstandes nicht nur Freude bringt.«
    Der orakelhafte Ausspruch brachte uns nicht weiter. Ich schaute nur auf Fatimas Gesicht, das glatt wie eine Theatermaske geworden war. Da Suko sich gebückt hatte, konnte ich mich auf die Tänzerin konzentrieren. Nichts bewegte sich, der Blick ihrer schwarzen Augen kam mir vor wie leere Röhren, aus denen das Wasser herausgepumpt worden war. Und ich schaute durch sie auf den Grund.
    An Fatimas Gesicht erkannte ich, wie weit Suko mit seiner Tat fortgeschritten war. Auf einmal weiteten sich ihre Augen, es glich einem Zucken, wie bei einem Wesen, das einen plötzlichen Schmerz verspürt, mit dem es nicht gerechnet hatte. Auch die Mundwinkel verzogen sich. Das tiefe wissende Stöhnen drang ganz hinten aus ihrer Kehle. Suko hatte es geschafft. Er ging zurück, drehte sich um, hob seine Hand und zeigte mir das beigegrüne Oval, das er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.
    »Da ist er…«
    Ich hörte die Worte, nur schaute ich auf Fatima, die eine fürchterliche Metamorphose durchmachte. Hatte sie uns nicht berichtet, daß sie hundert Jahre alt wäre?
    So recht hatte ich daran nicht geglaubt. In diesem Augenblick bekam ich den Beweis.
    Ihr Körper verlor innerhalb kürzester Zeit sein normales Aussehen. Was sie sich an Muskeln und straffer Haut durch ihren Tanz antrainiert hatte, verschwand, als hätte man es weggewischt. Statt dessen erinnerten mich die nackten Arme und Beine an die Rinde der Baumstämme auf dem letzten Wagen des Güterzugs.
    Auch die Farbe stimmte. Vom eigentlichen hellen Farbton der Haut übergehend in ein düsteres Grau, das ebenfalls schwand und den Brauntönen Platz schaffte, die krustig wirkten, wo sich Falten und Risse wie mit einem Messer geschnitzt eingruben und auch die Kraft herausfloß, denn Fatima konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Sie fiel steif zur Seite und krachte auf den schmalen Schminktisch, wo sie das abräumte, was auf ihm seinen Platz gefunden hatte. Tiegel, Töpfe, Pinsel, Puderdosen und zwei Tuben landeten auf dem Boden, wo sie als kosmetischer Wirrwarr liegenblieben. Wir hörten sie stöhnen. Sie lag auf der

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