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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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war offensichtlich Seth Caddigan. Er war groß, eher hager als muskulös, hatte ein grobknochiges Gesicht, dünnes, rötliches Haar und eine Nase, die auf erheiternde Weise um das zu kurz geraten war, was seine Oberlippe an Masse zuviel besaß. Er sah ungeduldig zu Waylock auf.
    »Ich würde gern Herrn Basil Thinkoup sprechen«, sagte Waylock.
    »Basil ist in einer Besprechung.« Caddigan wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Nehmen Sie Platz, er wird gleich kommen.«
    Doch Waylock schritt an die Wand heran, um die dort angebrachten Photographien zu betrachten. Es waren Gruppenaufnahmen und sie zeigten offenbar die Belegschaft bei einem Betriebsausflug. Caddigan beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. »Was möchten Sie mit Herrn Thinkoup besprechen?« fragte er plötzlich. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Wollen Sie um einen Rekonvaleszenzplatz im Palliatorium ersuchen?«
    Waylock lachte. »Sehe ich wie ein Verrückter aus?«
    Caddigan musterte ihn mit professioneller Gemütsruhe. »›Verrückt‹ ist ein Wort mit unwissenschaftlichen Implikationen. Wir verwenden es nicht oft.«
    »Ich gestehe meinen Fehler ein«, erwiderte Waylock. »Sie sind also ein Wissenschaftler?«
    »Als solchen betrachte ich mich.«
    Auf dem Schreibtisch lag ein Bogen Pappe, der mit einem roten Stift bekritzelt worden war. Waylock nahm ihn auf. »Und auch ein Künstler.«
    Caddigan hielt sich die Zeichnung dicht vor die Nase, inspizierte sie eingehend und legte sie wieder auf den Tisch. »Dieses Bild«, sagte er unbewegt, »ist das Werk eines Patienten. Es wird zu diagnostischen Zwecken verwendet.«
    »Oh, hm«, machte Waylock. »Ich dachte, Sie hätten es angefertigt.«
    »Weshalb?« fragte Caddigan.
    »Oh, es hat einen gewissen Reiz, eine wissenschaftliche Qualität, eine …«
    Caddigan beugte sich vor, um das Gekritzel noch einmal genau zu studieren und sah dann zu Waylock auf. »Meinen Sie wirklich?«
    »Ja, in der Tat.«
    »Sie müssen an dem gleichen Wahn leiden wie der arme Wicht, der dies hier gemalt hat.«
    Waylock lachte. »Was stellt es denn dar?«
    »Der Patient sollte ein Bild von seinem Hirn zeichnen.«
    Waylock war interessiert. »Haben Sie viele solcher Bildnisse?«
    »Eine ziemliche Menge.«
    »Ich nehme an, Sie klassifizieren sie auf irgendeine Weise?«
    Caddigan deutete auf den Kartographen. »Das ist eine Aufgabe, mit der ich zur Zeit beschäftigt bin.«
    »Und nachdem Sie sie klassifiziert haben – was dann?«
    Caddigan schien darauf nur sehr ungern antworten zu wollen. Schließlich aber erwiderte er: »Vielleicht sind Sie darüber unterrichtet – für gut informierte Personen ist das kein Geheimnis –, daß die Psychologie nicht so rasche Fortschritte gemacht hat wie andere Wissenschaften.«
    »Vermutlich interessieren sich nur wenige erstklassige Leute für dieses Fachgebiet«, sagte Waylock nachdenklich.
    Caddigans Blick glitt kurz zu der Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. »Die größte Schwierigkeit besteht in der Komplexität des menschlichen Nervensystems, einhergehend mit der Unzugänglichkeit für genauere Fallstudien. Es gibt einen ganzen Berg von Untersuchungsmethoden und Krankheitsdeterminationen – zum Beispiel die Diagnose mittels Bildern.« Er klopfte auf den Pappbogen. »Sie werden immer und immer wieder angewendet, ohne daß man der Sache wirklich auf den Grund käme. Aber ich glaube, daß ich mit meiner Arbeit dazu beitragen kann, dem Kern des Problems näher zu kommen.«
    »Das Gebiet ist demnach statisch?«
    »Alles andere als das. In der psychologischen Wissenschaft herrscht ein heilloses Durcheinander – es wird immer wieder versucht, neue Wege zu gehen. Aber sie stoßen immer wieder auf das unüberwindlich scheinende Hindernis der elementarsten Schwierigkeit – die Komplexität und Kompliziertheit des Gehirns und das Fehlen präziser Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Oh, man kann hier zu Steigung kommen – einige sind durch Neufassungen und Überarbeitungen der Theorien von Arboin, Sachewsky, Connell und Mellardson in Amarant aufgestiegen. Die anderen rackern sich von früh morgens bis spät abends ab, um ebenfalls erfolgreich zu sein – doch heute sind die Palliatorien überfüllt, und unsere Behandlungsmethoden unterscheiden sich kaum von denen zur Zeit von Freud und Jung. Wir probieren aus und hoffen, und das kann sowohl von eifrigen Studenten als auch erfahrenen Unterweisern bewerkstelligt werden.« Er sah Waylock durchdringend an. »Was würden Sie davon

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