Kaste der Unsterblichen
Ihrer Pflichten kennenzulernen?«
»Zumindest interessiert.«
»Sehr schön. Um ganz ehrlich zu sein: Es ist keine sehr angenehme Arbeit. Eher gefährlich – manchmal. Wenn Sie einen der Patienten verletzen, büßen Sie Karrierepunkte ein. Gewaltanwendung und Gefühle sind uns nicht erlaubt – es sei denn, wir würden selbst verrückt.«
Caddigans Augen glänzten. »Wenn Sie nun also mit mir kommen wollen …«
2
»Hier haben wir unser kleines Reich«, sagte Caddigan in ironischem Tonfall. Er deutete in den Raum, der infolge einer obskuren Gedankenassoziation in Waylocks Bewußtsein das Wort »Museum« erschallen ließ. Auf beiden Seiten des Raumes zogen sich Reihen aus Betten dahin. Die Wände waren sandfarben, die Liegen weiß, und der Boden war mit einem braungrauen Linoleumkarree bedeckt. Wandschirme aus transparentem Plastik trennten die einzelnen Betten voneinander und schufen so zwei Reihen aus einzelnen Boxen an beiden Wänden. Obgleich das Plastik praktisch völlig durchsichtig war, waren die Betten am anderen Ende des Raumes nur verzerrt und verschwommen zu erkennen – ein Eindruck, der dem von mehrfachen Bildern in sich gegenüberstehenden Spiegeln ähnelte. Die Patienten lagen auf dem Rücken, die Arme schlaff an den Seiten ausgestreckt. Einige hatten die Augen geöffnet, bei anderen waren sie fest zusammengekniffen. Hier waren nur Männer im Alter von etwa dreißig bis fünfzig Jahren untergebracht. Die Betten waren in einem tadellosen Zustand, und die Gesichter der Patienten leuchteten in einem sauberen Rosarot.
»Ordentlich und rein und ruhig«, sagte Caddigan. »Dies hier sind alles schlimme Kattos, sie rühren sich fast nie. Doch hin und wieder – Klick! Irgend etwas in ihrem Gehirn schaltet sich kurz. Dann werden sie nervöse Bewegungen bemerken – ihre Lippen zucken, sie krümmen sich zusammen. Das ist das manische Stadium.«
»Und dann sind sie gewalttätig?«
»Das ist individuell verschieden. Manchmal liegen sie nur da und winden sich. Andere springen auf die Beine, stolzieren wie erhabene Götter durch die Korridore und zerstören alles, was ihnen unter die Finger kommt. Das heißt, sie würden es tun«, fügte er grinsend hinzu, »wenn man es zuließe. Sehen Sie sich diese Löcher dort an.« Er deutete auf den Boden am Fußende des ersten Bettes. »Sobald sich die Gewichtsbelastung des Bettes verringert, springen druckgesteuerte Schutzstangen hervor und riegeln die Box ab. Der Patient hat keine Möglichkeit hinauszugelangen und kann nur die Bettlaken zerreißen. Nach beträchtlichem Experimentieren haben wir Laken entwickelt, die nur mit äußerster Anstrengung und optimaler Geräuschentwicklung zerreißbar sind. Der Patient tobt den größten Teil seiner Wut aus, und kurz darauf treten wir mit einem Wickel die Nische ein und bringen ihn wieder ins Bett.« Er zögerte und blickte am Mittelgang entlang. »Mit diesen schlimmen Kattos haben wir es eigentlich nicht so schwer. Es gibt schwierigere Mündel.« Er deutete zur Decke hinauf. »Dort oben liegen die Kreischer. Sie sind wie reglose Statuen, aber von Zeit zu Zeit, wie eine Uhr, die die Stunde schlägt, fangen sie an zu schreien. Für die Krankenwärter ist es dort nicht leicht. Es sind schließlich Menschen, und das menschliche Bewußtsein reagiert überaus sensibel auf bestimmte Klangfarben von Stimmen.« Er zögerte erneut und schien nachzudenken. Waylock sah mißtrauisch über die Reihen ruhiger Gesichter hinweg. »Ich habe oft daran gedacht«, fuhr Caddigan fort, »was für eine ausgezeichnete Marter es doch wäre, wenn man seinen persönlichen Feind, einen geistig gesunden und normal empfindenden Feind, in die Kreischer-Abteilung einsperrte, wo er ohne eine Fluchtmöglichkeit den Schreien zuhören müßte. Innerhalb von sechs Stunden würde er in das Kreischen einstimmen.«
»Benutzen Sie keine Sedative?«
Caddigan zuckte mit den Achseln. »Zur Beruhigung der Intensivmanischen notwendigerweise. Ansonsten gehen wir nach der Theorie – oder Laune, wenn Sie so wollen – des verantwortlichen Psychiaters vor. In dieser Abteilung ist das – dem Namen nach – Unterweiser Alphonse Clou. Aber Unterweiser Clou ist mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Abhandlung beschäftigt: Synchrocephalisation bei Doppelgängern, oder, wenn Ihnen das mehr sagt, Symbioten – Personen also, die sich gegenseitig brauchen, um leben zu können. Er streitet die Einwirkung von Telepathie ab, was meiner Meinung nach lächerlich ist.
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