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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Mitternacht würde sie daraus befreit werden.
    Er bestellte Tee und widmete sich seinen Studien.
    Als er das nächste Mal aufsah, stellte er überrascht fest, daß sich das Café beinah ganz gefüllt hatte. Es war nun elf Uhr. Er wandte sich wieder seinen Büchern zu.
    Um Viertel vor zwölf waren alle Tische besetzt. Die vielen Gäste sprachen kaum miteinander, sondern sahen alle auf den Platz hinaus.
    Waylock konnte sich nun nicht mehr auf das Studium der Bücher konzentrieren. Sein Blick glitt suchend durch die Schatten des Esterhazyplatzes. Nichts rührte sich. Doch alle wußten, daß dort irgendwo die Schicksalsverrückten lauerten.
    Mitternacht. Im Café war nun alles still.
    Der Prangerkäfig schwankte leicht und senkte sich dann dem Boden entgegen. Die Frau im Innern umfaßte mit beiden Händen die Eisenstäbe und starrte auf den Platz hinaus.
    Der Käfig berührte die Rasenfläche. Seine Segmente schnappten auf, und die Frau war frei. Sie hatte ihre formelle Strafe abgebüßt.
    Alle Gäste im Café beugten sich ein wenig vor und hielten unwillkürlich den Atem an.
    Die Frau setzte sich zögernd in Bewegung und schritt an der Front des Aktuarius’ entlang in Richtung Bronzestraße.
    Ein Stein klatschte neben ihr ins Gras. Ein weiterer … und noch einer. Der nächste traf sie an der Hüfte.
    Sie lief, und die Steine sausten aus der Dunkelheit auf sie zu. Ein Brocken von der Größe einer Faust traf sie am Halsansatz. Sie stolperte, fiel zu Boden.
    Weitere Steine trafen sie, und sie gab jedesmal einen unterdrückten Schrei von sich.
    Dann kam sie wieder auf die Beine, hastete auf die Bronzestraße zu und verschwand.
    »Hmmm«, murmelte jemand. »Sie ist entkommen.«
    Eine andere Stimme erwiderte in einem übertrieben scherzhaften Tonfall: »Das bedauern Sie? Dann sind Sie nicht besser als die Schicksalsverrückten!«
    »Haben Sie gesehen, wie viele Steine geflogen sind? Wie ein Hagelschauer!«
    »Es werden immer mehr, diese Schicksalsverrückten …«
    »Schicksalsverrückte und Lebensartzweifler und all die anderen komischen Typen … ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll, ich weiß es wirklich nicht …«

 
SECHS
     
1
     
    Am nächsten Morgen erschien Waylock ganz pünktlich im Palliatorium, und das veranlaßte ihn zu dem ironischen Gedanken: Fehlt nicht viel, und ich bin genau wie all die anderen Phylenkletterer mit ihren nervösen Magengeschwüren.
    Basil Thinkoup war den Morgen über beschäftigt, und deshalb meldete sich Waylock bei Seth Caddigan.
    Caddigan schob ihm ein Formblatt über den Tisch. »Wenn Sie das bitte ausfüllen würden …«
    Waylock überflog den Text und runzelte ein wenig verwirrt die Stirn. Caddigan lachte. »Füllen Sie das Formular aus. Es ist Ihre Bewerbung um einen Posten als Krankenwärter.«
    »Aber ich bin doch bereits als Krankenwärter angestellt«, gab Waylock zurück.
    »Seien Sie ein braver Junge und füllen Sie es trotzdem aus«, sagte Caddigan mit gezwungener Geduld.
    Waylock kritzelte einige Worte in die Leerzeilen, fügte Gedankenstriche und Fragezeichen ein, wo er nicht Auskunft geben wollte, und warf das Formblatt auf den Tisch zurück. »Da haben Sie’s. Meine ganze Lebensgeschichte.«
    Caddigan warf einen kurzen Blick auf die Antworten. »Ihr Leben scheint ein einziges großes Fragezeichen zu sein.«
    »Oh, es ist wirklich recht belanglos.«
    Caddigan zuckte mit seinen knochigen Schultern. »Sie werden noch feststellen, daß unsere führenden Köpfe hier eifrige Verfechter von Vorschriften und Regeln sind. Dies hier …« – er deutete auf das Bewerbungsformular – »… wirkt auf sie wie ein rotes Tuch auf einen Stier.«
    »Vielleicht brauchen die führenden Köpfe ein wenig Anregung.«
    Caddigan sah ihn durchdringend an. »Krankenwärter wirken nur selten als Anregungskatalysatoren, ohne das zu bedauern.«
    »Ich hoffe, nicht allzu lange Krankenwärter zu bleiben.«
    Caddigan lächelte hintergründig. »In dem Punkt bin ich völlig sicher.«
    Kurzes Schweigen schloß sich an. »Waren Sie Krankenwärter?« fragte Waylock dann.
    »Nein. Ich bin Absolvent der Horsfroyd-Fakultät für Psychiatrie. Habe zwei Jahre als Assistenzarzt im Wiesenbachheim für Kriminellirre gearbeitet. Aus diesem Grund …«
    – Caddigan kehrte seine schlanken Hände nach außen –
    »… konnte ich die Stufe niederer und gewöhnlicher Arbeit überspringen.« Er versah Waylock mit einem Blick, der vor sardonischer Vorfreude triefte. »Sind Sie neugierig darauf, die Art

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