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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Boden war karg und steinig. Mit einem Metalldorn kratzte sie Löcher, und in jedes davon pflanzte sie liebevoll eine Blume: eine Rose, eine Sonnenblume, eine weiße Lilie. Und eine nach der anderen begann zu wuchern und sich in Unkraut zu verwandeln – abstoßend, unordentlich, häßlich. Die Pierrette führte einen Tanz der Enttäuschung und des Zorns auf. Sie zertrat die Blumen und stieß als letzte Versinnbildlichung ihres Verdrusses den Metalldorn in den Boden – aus dem sofort Zweige sprießten, mit grünen Blättern, goldenen Äpfeln und roten Pampelmusen.
    In der dritten Episode waren die Kulissen dunkel. Zu sehen war nur das noch hängende Zifferblatt einer Uhr mit zwei grünen Zeigern aus Lumineszenzglanz und mit einer roten Markierung an der Stelle der Zwölf. Die Pierrette erschien, sah einen Augenblick zum Himmel empor und begann, ein Haus zu bauen. Sie stapelte dazu die ungewöhnlichsten Materialien aufeinander: gesplitterte Bretter, Metallfetzen, Glasfragmente. Wie durch ein Wunder begannen sich die verschiedenartigen Einzelteile tatsächlich zu einem Gebäude zusammenzufügen. Die Pierrette sah wieder zum Himmel empor und arbeitete mit immer größer werdender Hast weiter, während sich die Uhrzeiger der roten Markierung näherten.
    Schließlich war das Haus fertig, und die Pierrette zeigte ihr Entzücken darüber. Sie nahm erneut einen Dorn zur Hand und setzte ihn an. Er kratzte die Farbe von dem Plunderhaufen, doch die Schnipsel kehrten immer wieder wie von Geisterhand bewegt zurück und hefteten sich an die Stellen, an denen sie sich vorher befunden hatten. Die Pierrette wollte eintreten, konnte es jedoch nicht. Sie warf einen Blick durch die Tür, trat zur Seite und forderte einen vagabundierenden Schurken – der von Adrian Boss dargestellt wurde – auf zu verschwinden. Dann verscheuchte sie einen Vogelschwarm, und während sie auf diese Weise beschäftigt war, erreichten die Uhrzeiger die rote Markierung.
    Die Pierrette erstarrte für einen Augenblick. Dann bewegte sie sich so steif und schwerfällig, als sei die Luft zähflüssig geworden. Sie sah zur Uhr empor – die Zeiger zitterten zurück, fort von der roten Linie. Die Pierrette lachte. Dann aber krochen sie wieder vor, einem unabwendbaren Schicksal gleich. Purpurfarbener Glanz flammte auf, ein gewaltiger Donnerschlag ertönte, eine grellweiße Flutwelle drohte die ganze Welt zu überschwemmen. Gebrüll, Gepolter, ein triumphierender Schrei. Und in seinem Echo das Verklingen des Schlußakkords.
    Die Lichter in der Halle erstrahlten wieder, der schwarze Vorhang glitt zu. Die Wand schob sich zurück und verbarg die Bühne.
     
5
     
    Die Anastasia de Francourt kehrte in ihre Garderobe zurück und schloß die Tür. Sie verspürte eine muntere Erschöpfung, so wie jemand, der sich in eiskalte Wellen gestürzt hatte und nun an den sonnig-warmen Strand zurückkehrte. Die Inszenierung war durchaus zufriedenstellend gewesen, obwohl es auch einige Schwachpunkte gegeben hatte. Vielleicht war es ratsam, eine vierte Sequenz hinzuzufügen …
    Die Anastasia erstarrte. Jemand befand sich in ihrem Zimmer, jemand, der ihr nicht vertraut war. Sie spähte um die Ecke herum und warf einen Blick in den kleinen Empfangsraum. Ein Mann saß dort, ein großer Mann, den massigen Kopf auf den angezogenen Knien abgestützt.
    Die Anastasia trat vor, nahm die Kopfhaube ab und schüttelte die schwarzen Locken ihres zerzausten Haars. »Es ist mir eine Ehre, Herr Reinhold Biebursson.«
    Biebursson schüttelte den Kopf. »Nein. Die Ehre – vielleicht sollte ich besser Vermessenheit sagen – ist ganz meinerseits. Ich will mich nicht für mein Eindringen entschuldigen. Ein Raumfahrer glaubt, die allgemeinen Sitten und Gebräuche hätten für ihn keine Gültigkeit.«
    Die Anastasia lachte. »Ich würde Ihnen da vielleicht zustimmen, wenn ich wüßte, welche Sitten Sie meinen.«
    Biebursson wandte seinen ernsten Blick von ihr ab. Die Anastasia trat an die Frisierkommode heran und nahm ein Tuch zur Hand. Während sie sich die weiße Creme aus dem Gesicht wischte, kehrte sie dorthin zurück, wo Biebursson saß.
    »Ich bin kein Mann großer Worte«, sagte er. »Meine Gedanken gleichen Bildern, die ich nicht in Worte zu fassen vermag. Tage-, wochen- und monatelang halte ich Wache. Ich kontrolliere die Schiffsfunktionen, während die Wissenschaftler und Sternenforscher in ihren Zellen schlafen. Das ist mein Leben.«
    Die Anastasia ließ sich in einen Sessel sinken. »Es muß

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