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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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fiel rücklings hinaus. Waylock starrte entsetzt auf das leere, helle Rechteck. Von unten ertönten ein Krächzen, dann ein weiterer, gräßlicher Schrei und ein seltsames, kratzendes Schaben.
    Waylock stürzte ans Fenster und blickte auf die Leiche Rolf Avershams hinab. Der Körper war beim Aufschlag von den Lanzen eines eisernen Zauns durchbohrt worden. Seine hin und her baumelnden Beine klopften gegen die lockeren Eisenlatten, ein Geräusch, das kurz darauf verklang.
    Waylock wandte sich um, zerrte fieberhaft an der Jacke, nahm die Filmstreifen an sich und hängte das Kleidungsstück in das entsprechende Gestell zurück.
    Eine Minute später stürmte er ins Arbeitszimmer. Kanzler Imish schaltete hastig einen Bildschirm aus, auf dem nackte Männer und Frauen in grotesken Verrenkungen umhertollten. »Was ist denn los?«
    »Ich hatte recht«, keuchte Waylock. »Aversham kam in die Garderobe und griff mich an! Er hat unser Gespräch abgehört!«
    »Aber … aber …« Imish erhob sich aus seinem Sessel. »Wo ist er?«
    Waylock sagte es ihm.
     
3
     
    Mit zuckenden Wangen und einem Gesicht, das so weiß war wie schale Milch, diktierte Kanzler Imish einen Bericht für den Ersten Assassinen der Außendienststelle Trianwood.
    »Seine Arbeit wurde immer nachlässiger. Dann entdeckte ich, daß er mich systematisch überwachte. Ich entließ ihn und verpflichtete meinen Freund Gavin Waylock an seiner Stelle. Er drang in meine Garderobe ein und griff mich an. Glücklicherweise war Gavin Waylock zugegen. In dem folgenden Handgemenge stürzte Aversham aus dem Fenster. Es war ein Unfall – nichts weiter als ein Unfall.«
    Kurz darauf verabschiedete sich der Assassine. Imish trat müde in das Zimmer, in dem Waylock wartete. »Es ist erledigt«, sagte der Kanzler. Er starrte Waylock an. »Ich hoffe, Sie haben recht.«
    »Es war die einzige Möglichkeit«, sagte Waylock. »Hätten Sie eine andere Geschichte erzählt, wären Sie das Risiko eingegangen, in einen schmutzigen Skandal verwickelt zu werden.«
    Imish schüttelte den Kopf. Er war noch immer wie benommen von dem, was geschehen war.
    »Da wir gerade dabei sind«, sagte Waylock. »Wann soll ich meinen Dienst antreten?«
    Imish starrte ihn an. »Wollen Sie wirklich Rolfs Posten übernehmen?«
    »Nun, beim Aktuarius gefällt es mir nicht besonders, und es wäre mir eine Freude, Ihnen mit ganzer Kraft zur Seite zu stehen.«
    »Auf diese Weise kommen Sie kaum zu Steigung – wenn Sie ständig von einem Job zum andern wechseln.«
    »Ich bin zufrieden«, sagte Waylock.
    Imish schüttelte den Kopf. »Der Sekretär des Kanzlers ist der Sekretär von nichts – und das bedeutet, weniger als nichts zu bedeuten.«
    »Ich habe mir schon immer einen Titel gewünscht. Als Ihr Sekretär bin ich auch Vizekanzler. Außerdem lautet Ihre Aussage gegenüber den Assassinen, daß Sie mich als Ersatz für Aversham angestellt haben.«
    Imish preßte die Lippen aufeinander. »Das ist kein Problem. Sie könnten den Posten ablehnen.«
    »Ich fürchte, das gäbe eine schlechte Publicity ab. Schließlich müssen wir immer noch an die Schicksalsverrückten denken …«
    Imish trat an seinen Sessel, ließ sich hineinfallen und starrte Waylock mit beißender Anklage in den Augen an. »Das alles ist wirklich ein furchtbarer Schlamassel!«
    »Ich werde mein Bestes tun, um Sie aus dieser schwierigen Lage zu befreien.« Waylock lehnte sich zurück. Eine ganze Weile starrten sich die beiden Männer schweigend an.
    »Ich könnte jetzt eigentlich Avershams Sachen fortschaffen«, sagte Waylock dann.

 
SECHZEHN
     
1
     
    Ein Monat verging. Der Herbst senkte sich über Clarges. Die Blätter der Bäume färbten sich rot und gelb, die Morgendämmerungen wurden grau, und der Wind atmete den Hauch baldigen Frostes.
    Clarges beging einen der großen jährlichen Feiertage. Die Leute verließen ihre Wohnungen und machten Spaziergänge in den Straßen. Auf dem Esterhazyplatz begann plötzlich ein Mann zu toben, kletterte auf eine Bank, ließ eine Schimpftirade los und schüttelte die Faust in Richtung Aktuarius. Einige Passanten blieben stehen, um ihm zuzuhören, und bald stieß sein Zorn auf Resonanz. Zwei Assassinenlehrlinge in ihren schwarzen Uniformen kamen vorbei, und der Rasende belegte sie mit einem Fluch. Die Menge drehte sich um und starrte sie an. Die Assassinen änderten die Richtung und begingen den Fehler, Eile zu zeigen. Die Menge stöhnte auf und hetzte hinter ihnen her. Den davonstürzenden Assassinen

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