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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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alte Mann. »Ich weiß nicht, wie’s zusammenhängt. Aber wenn ich Musik höre, bin ich erledigt.«
    »Ich glaube gar nicht, daß das an mangelndem Musikverständnis liegt«, bemerkte Struve höflich. »Ich bin viel eher der Überzeugung, daß Sie vor lauter Musikalität müde werden!«
    »Stimmt!« meinte Külz erfreut. »So ist es! Je lauter die Musikalität ist, um so müder werde ich. – So, und nun schert euch aufs Parkett!«
    »Sollen wir Ihnen nicht lieber Gesellschaft leisten?« fragte das junge Mädchen.
    »Nein, das sollt ihr nicht. Marsch, fort mit euch!«
    Sie standen auf und schlängelten sich, an Tischen vorbei, über Stufen stolpernd und sich in Ecken verirrend, bis zum Parkett. Sie tanzten einen langsamen Walzer miteinander.
    Rudi Struve meinte: »Dieses Lokal scheint ein Gotiker des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut zu haben.«
    »Verstehen Sie etwas von Gotik?« fragte sie.
    »Nein. Vom zwanzigsten Jahrhundert verstehe ich aber auch nichts.«
    Der langsame Walzer fand kein Ende. Als die Kapelle erstaunlicherweise doch Schluß machte, wurde so lange applaudiert, bis sie einen Tango folgen ließ. Der Mann am Schlagzeug sang hierzu einen Text, der fraglos dadurch entstanden war, daß der Autor ein Dutzend ältere Schlager durcheinandergequirlt hatte.
    Irene Trübner sagte: »Es klingt wie Irish-Stew.«
    »Das muß so sein«, behauptete er. »Das Publikum will die alten Lieder immer wieder hören. Deshalb darf der Schlagerfabrikant nichts wirklich Neues schreiben. Sogar wenn er’s könnte.«
    Als der Tango zu Ende war, wanderten sie zu dem Tische zurück.
    Papa Külz schlief. Beim Ausatmen sträubten sich jedesmal seine Schnurrbarthaare. Sie sahen und hörten ihm ein Weilchen zu. Dann meinte Struve: »Wollen wir ihn ins Bettchen bringen?«
    In demselben Augenblick riß Külz die Augen auf und musterte erstaunt die vergnügungssüchtige Umgebung.
    »Ach so«, sagte er dann. »Ich wußte erst gar nicht, wo ich bin!«
    Er wollte weitersprechen. Doch plötzlich wurden seine Augen groß und rund wie bei einer Puppe. Er starrte entgeistert auf den Tisch.
    Die jungen Leute folgten seinem Blick. Fräulein Trübner wurde weiß wie eine Kalkwand und flüsterte heiser: »Das ist doch nicht möglich.«
    Auf dem Tisch lag ein Päckchen!
    Es war das gleiche Päckchen, das sie mittags in Kopenhagen Herrn Külz zugesteckt hatte, als sie durch die Bahnsperre gingen!
    Und es war dasselbe Päckchen, das Herrn Külz auf dem Trajekt
    »Danmark« von einem falschen Zollbeamten gestohlen worden war!
    Der alte Mann griff sich an den Kopf. »Schlafe ich noch?« fragte er.
    »Nein«, sagte Rudi Struve. »Aber warum sind Sie denn so aufgeregt?«
    Külz beugte sich zu ihm herüber, zeigte auf das unheimliche Päckchen und raunte: »Das ist doch die falsche Miniatur!«
    Struve sah Fräulein Trübner an. Sie nickte.
    »Und ein Brief liegt daneben«, sagt Külz. Er griff danach.
    Der junge Mann rief den Kellner, der an einer Säule lehnte.
    »War in den letzten Minuten eine fremde Person an unserm Tisch?«
    »Mir ist nichts aufgefallen, mein Herr.«
    »Oder hat ein Bote etwas abgegeben?«
    »Nicht daß ich wüßte, mein Herr.«
    »Es ist gut«, erklärte Struve. »Ich danke.«
    Der Kellner zog sich zurück.
    Fleischermeister Külz holte die Lesebrille aus dem Jackett und öffnete den Briefumschlag. Als er die Brille aufsetzte und den Briefbogen aus dem Kuvert zog, zitterten ihm die Finger. Er faltete den Bogen auseinander und las, was auf dem Bogen stand.
    » Wir sind zwar«, hieß es in dem Schreiben, »an Frechheiten jeden Grades gewöhnt. Aber was Sie sich uns gegenüber geleistet haben, ist fraglos der Gipfel der Unverschämtheit. Und Sie wollen ein anständiger Mensch sein? Schämen Sie sich! Auf Wiedersehen!«
    Er reichte den Brief den beiden andern.
    Rudi Struve mußte, trotz der ernsten Situation, lachen. »Die Gauner sind moralisch entrüstet!« sagte er. »Auch das noch. Es wird immer schöner.«
    Irene Trübner saß blaß und schweigsam in ihrer Ecke, preßte die Handtasche eng an sich und blickte mit ängstlich irrenden Augen um sich.
    Herr Külz war empört. »Ich soll mich schämen?« fragte er wütend. »Das hat mir in meinem ganzen Leben noch kein Mensch zu sagen gewagt. Und ausgerechnet diese Strolche sind die ersten!« Er dachte nach. Dann meinte er treuherzig: »Außerdem hab’ ich doch selber geglaubt, es sei die echte!«
    »Das können Sie ja Ihren Bekannten aus dem Coupé erzählen, wenn wir ihnen das nächste

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