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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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anders geworden.«
    »Schöner«, meinte der junge Mann.
    Der Fleischermeister trank wieder einen Schluck und sagte hierauf: »Behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein. Na, es war ja auch so, wie’s war, ganz ulkig!«
    Der junge Mann blieb beim Thema. »Immerhin!« wandte er ein.
    »Man muß den Fall exemplarisch betrachten. Man muß eine Nutzanwendung daraus ziehen.«
    »Zum Beispiel?« fragte Irene Trübner gespannt.
    »Wenn ich jemals heiraten sollte«, sagte Rudi Struve, »dann werde ich, sobald meine Gattin – Entschuldigung! – meine Frau Streit sucht, nach Kopenhagen fahren.«
    Die junge Dame erhob sich. »Ich scheine im Augenblick überflüssig zu sein. Derartigen Lebensweisheiten bin ich nicht gewachsen. – In fünf Minuten hole ich die Herren ab. Zum Ball!«. Sie verneigte sich und ging auf ihr Zimmer.
    Die zwei Männer hoben die Gläser hoch und zwinkerten einander lustig zu.
    »Solche Gespräche können die Frauen nicht vertragen«, meinte Külz. »Aber ganz im Ernst, mein Lieber: Wenn Sie verheiratet sein werden, dann fahren Sie ja nach Kopenhagen, ehe es zu spät ist!«
    »Muß es unbedingt Kopenhagen sein?«
    »Bewahre! Meinetwegen an den Nordpol! Die Frauen merken erst, was sie an uns haben, wenn wir nicht zu Hause sind.«
    »Soviel über die Geographie der Ehe«, sagte der junge Mann.
    »Darf ich Sie auffordern, unseren nur allzu begreiflichen Kummer mit Beaujolais zu begießen?«
    »Sie dürfen«, erwiderte Oskar Külz. »Prost, junger Mann!«
    »Prost, alter Herr!« rief Struve. »Wenn die Frauen nicht wären, gäb’s für uns keine Aufregungen. Und was wäre ein Leben ohne Aufregungen!«
    Über die Chaussee, die von Rostock nach Warnemünde führt, raste eine Kette von Autos. Es waren sechs Rostocker Taxen. Im ersten Wagen, der mit seinen Scheinwerfern die nächtliche Straße ableuchtete, saß ein einzelner Fahrgast. Weißbärtig und mit dunkler Brille.
    Er öffnete das Schiebefenster, das ihn vom Chauffeur trennte.
    »Schneller!« kommandierte er. »Soviel Zeit wie Sie hat nicht jeder.«
    »Wenn wir gegen einen Baum fahren, sind wir auch nicht rascher in Warnemünde«, bemerkte der Chauffeur.
    »Schneller!« befahl der Herr. »Ohne Widerrede! Ich ersetze Ihnen den Baum.« Er blickte durch die kleine Scheibe in der Wagenrückwand. Die fünf anderen Autos fuhren im Gänsemarsch hinter ihm her.
    Im zweiten Wagen saßen die Herren Storm, Achtel und Karsten.
    Und ein vierter, der wie ein Ringkämpfer aussah. Groß und bullig.
    Mit einem Nacken wie ein Baumstumpf. Sie rauchten und unterhielten sich leise.
    »Eine gräßliche Angewohnheit vom Chef!« stellte Philipp Achtel fest. »Wenn man mich schon durch die Nacht sprengt, will ich wenigstens wissen, warum und wozu!«
    Karsten sagte: »Er wird schon seine Gründe haben. Zum Spaß schmeißt er das Programm nicht um.«
    Der Ringkämpfer nickte schwerfällig. »Ich habe das Gefühl, als sollte es heute nacht noch eine kleine Keilerei geben.«
    »Meinetwegen«, knurrte Herr Achtel. »Aber ich bin ein denkender Mensch und verlange, die Zusammenhänge zu kennen! Man ist ja schließlich kein Polizist!«
    »Ganz im Gegenteil!« Storm lachte.
    »Weshalb ich wen transportunfähig mache, ist mir egal«, erklärte der Ringkämpfer. »Hauptsache, daß ich mein Honorar kriege.«
    »Prolet!« sagte Herr Achtel.
    »Nun laß ja nicht deinen Vogel raus!« rief Karsten. »Der Chef weiß, was er will. Ob er dir’s nun auf die Nase bindet oder nicht.«
    »Auf so ’ne rote Nase sollte man überhaupt nichts binden«, sagte Storm.
    In der Tanzdiele in Warnemünde ging es hoch her. Die Kurgäste waren in allerlei Verkleidungen erschienen. Manche kamen spanisch. Andere als Matrosen. Wieder andere antik. Auch Edelleute aus dem Zeitalter des Rokoko trafen ein.
    Über die elektrischen Beleuchtungskörper war buntes Seidenpapier gespannt. Luftschlangen flogen aus den zahlreichen Ecken, Logen und Nischen aufs Parkett. Das Lokal war dem Anschein nach von einem sehr romantischen Architekten erbaut worden. Überall wimmelte es von kleinen Treppen, lauschigen Winkeln und zierlichen Säulen. Man hätte Versteck spielen können.
    Die Kapelle war sehr temperamentvoll. Und obwohl Irene Trübner einen Tisch ausgesucht hatte, der vom Orchester weit entfernt lag, kämpfte Fleischermeister Külz, kaum daß er sich gesetzt hatte, schon mit dem Schlaf.
    Die jungen Leute saßen lächelnd neben ihm und waren entschlossen, seinen Schlaf zu behüten.
    »Ich habe euch gewarnt«, sagte der

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