Kastner, Erich
mich wundern, wenn Sie keine Bekannten fänden.«
Fräulein Trübner hielt sich zurück. Oskar Külz hingegen stellte sich breitbeinig vor die Banditen und unterzog sie dem näheren Augenschein. Da war zunächst Herrn Philipp Achtels Schnapsvisage mit der funkelroten Nase. Da war ferner der kleine Herr Storm mit den verrutschten, abstehenden Ohren. Da war der unangenehme Mensch aus der Ecke des Eisenbahncoupés, der erklärt hatte, auf dem dänischen Trajekt gäbe es eine zweite Zollkontrolle. Da war auch der falsche Zollbeamte selber! Und noch etliche andere Reisegefährten erkannte Herr Külz wieder. Er drehte sich zum Schreibtisch um und sagte: »Herr Kommissar, die Welt ist wirklich klein! Es tut mir leid, daß ich die Leute gerade hier wiedersehen muß. Ich hätte sie lieber im Wald getroffen. Da kann man mehr aus sich herausgehen.«
»Aber lieber Freund!« sagte Storm. »Wie reden Sie denn mit uns!«
»Halten Sie den Mund!« brummte der Wachtmeister.
Külz trat einen Schritt zurück. »Warum soll ich den Mund halten?« fragte er empört.
»Sie doch nicht!« bemerkte Herr Philipp Achtel. »Der Staatsbeamte meint ja uns!«
»Abführen!« befahl der Kommissar.
»Endlich«, sagte Karsten. »Wir sind ja schließlich nicht im Panoptikum!«
»Hinaus!« rief der Kommissar.
Die Tür öffnete sich. Und die »Rostocker Skatbrüder« wurden ins Untersuchungsgefängnis geschafft.
Der Kommissar öffnete ein Fenster und holte tief Atem. Dann kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück und überreichte Herrn Steinhövel ein Päckchen. »Ich freue mich«, sagte er feierlich, »Ihnen so bald die geraubte Miniatur zurückerstatten zu können. Wer schnell gibt, gibt doppelt.«
Der alte Sammler nahm das kostbare Päckchen gerührt in Empfang. »Schönen Dank, Herr Kommissar!« Er wickelte das Päckchen aus. Es kam ein Holzkästchen zum Vorschein. »Können Sie uns plausibel machen, wie der Holbein in die Hände dieser Bande gefallen ist? Wir nahmen doch an, das Päckchen sei von dem jungen Mann gestohlen worden, der sich zu Unrecht Rudi Struve nannte.«
Der Kommissar zuckte verlegen die Achseln. »Das Überfallkommando wurde vor etwa anderthalb Stunden in die Kantstraße gerufen. Man fand die Bande in der eindeutig bezeichneten Wohnung. Der Wohnungsinhaber hatte die Leute in einem seiner Zimmer eingeschlossen und ist seitdem spurlos verschwunden.«
»Großartig«, behauptete Herr Steinhövel. »Und dieser patente Wohnungsinhaber ist vermutlich der falsche Struve? Oder?« Er öffnete das Holzkästchen.
»Sie mögen recht haben«, sagte der Kommissar. »Der Mieter heißt allerdings Joachim Seiler. Ob er der falsche Struve ist, wissen wir noch nicht. Aber es wird nachgeforscht.«
»Ich verstehe es nicht«, erklärte Irene Trübner. »Wenn dieser Herr Seiler ein Dieb war, hätte er doch die Miniatur aus seiner Wohnung mitnehmen können, nachdem er die Bande eingesperrt hatte!«
»Wenn unser Struve Ihr Seiler ist«, meinte Oskar Külz, »dann wiederhole ich, was ich schon dem Rostocker Kommissar gesagt habe: Unser Struve ist kein Dieb!«
»Und was dann?« fragte der Berliner Kommissar.
Der alte Sammler hatte mittlerweile eine Lupe aus der Tasche gezogen und betrachtete die Miniatur, als sei sie eine Kranke und er der Hausarzt.
Der Kommissar stand auf. »Nun?« fragte er. »Sind Sie mit uns zufrieden?«
Herr Steinhövel lehnte sich in dem Stuhl zurück. »Nicht ganz, Herr Kommissar! Was Sie mir freundlicherweise ausgehändigt haben, ist leider nicht der echte Holbein. Sondern die Imitation!«
18. KAPITEL
DIE MOTORISIERTE SCHNITZELJAGD
Der Kommissar und seine Besucher saßen minutenlang, ohne ein Wort herauszubringen. Sie starrten einander vollkommen ratlos an und waren vor Schreck gelähmt.
Als erster fand der Kriminalkommissar die Sprache wieder. »Das ist eine Kopie? Irren Sie sich ganz bestimmt nicht, Herr Steinhövel?«
»Ich irre mich nicht«, antwortete der Sammler. »Es gibt, und das ist keine Übertreibung, in ganz Europa niemanden, der sich in diesem Fall so wenig irren könnte wie ich!« Er legte die Holbein-Imitation in das mit Samt gefütterte Holzkästchen zurück und stellte das Kästchen auf den Schreibtisch.
Fleischermeister Külz zerrte aufgeregt an seinem buschigen Schnauzbart. »Das geht ja mit dem Teufel zu! Da rennen wir samt der Polizei hinter einer Bande von Gaunern her, und die Bande hinter einem jungen Mann! Und nun hat der junge Mann statt der echten Miniatur die falsche geklaut!«
»Ich
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