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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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beiden lachten, als sie mich sahen! Das war meine Rettung!«
    »Wie fandest du die junge Dame?« fragte Seiler. »War sie hübsch?«
    »Sehr hübsch. Aber was ändert das an der Situation?«
    Der andere wurde der Antwort auf die nur allzu berechtigte Frage enthoben.
    Denn auf der anderen Straßenseite hielten zwei große Überfallautos. Viele Polizisten sprangen aus den Wagen und stürzten in ein Haustor hinein.
    »Das ist doch das Haus, in dem du wohnst?« fragte Rudi Struve.
    »Ganz recht!«
    Passanten blieben stehen. Ladenbesitzer traten auf die Straße hinaus. Bewohner der umliegenden Häuser blickten aus den Fenstern.
    Der Auflauf wurde von Minute zu Minute größer. Wildfremde Menschen kamen miteinander ins Gespräch. Neugierde und Angst machten die diesige Sommerluft noch drückender, als sie schon war.
    »Ich scheine heute meinen kriminellen Tag zu haben«, stellte der Komponist fest. »Seit wann wohnen in deinem Hause Verbrecher?«
    Der andere schwieg und ließ kein Auge von dem Haustor.
    Struve zuckte die Achseln. »Man sollte doch endlich aufs Land ziehen. Zurück zur Natur, was? Schafherden, Gänseblümchen und einfältige, unverdorbene Menschen um sich herum!«
    »Auf nach Bautzen!« sagte Joachim Seiler. »An den Busen der Natur, oder wie deine Bautzener Bekannte sonst heißt!«
    »Es ist mein voller Ernst. Die Zivilisation ist der Tod der Kunst.«
    »Drückeberger! Die Tatsache, daß dir nichts einfällt, ist doch kein Grund, die Geschichte zu bemühen«, erklärte Joachim Seiler.
    Die Menge, die sich vor dem Hause Kantstraße 177 gestaut hatte, geriet in Bewegung. Sie machte den Polizisten Platz, die aus dem Tor herauskamen und etwa zwanzig ernst aussehende Männer eskortierten, die man paarweise mit Handschellen aneinander befestigt hatte.
    Die Gefangenen wurden auf die beiden Überfallwagen geschoben. Die Polizisten kletterten hinterdrein. Die Autobusse fuhren davon.
    Und langsam zerstreute sich die Menge.

17. KAPITEL
    ERSTENS KOMMT ES ANDERS…
    Einer der Kellner, der über die Straße gerannt war, um Näheres zu erfahren, kam zurück und wollte ans Büfett, um seine Neuigkeiten auszukramen. Der Komponist Struve hielt ihn am Frackärmel fest.
    »Was war denn los, Herr Ober?«
    »Da hat sich eine Einbrecherbande von einem Keller des Hauses 178 aus in die 177 durchgebuddelt! Der Portier hat ein Geräusch gehört und die Polizei alarmiert. Und als die Einbrecher durch das Loch in der Kellerwand gekrochen kamen, wurden sie, immer hübsch einer nach dem andern, vom Überfallkommando festgenommen.«
    »Was wollte denn die Bande in der 177?« fragte Rudi Struve.
    »Wenn man das wüßte!« meinte der Ober.
    Joachim Seiler lachte. »Vielleicht wollten sie in dem Papiergeschäft ein paar Ansichtskarten kaufen.«
    »Ich verstehe das nicht.« Struve schüttelte die Komponistenmähne. »Wozu in aller Welt haben sie sich von dem einen Keller in den andren durchgegraben! Dann konnten sie doch genausogut direkt in die 177 gehen! Warum denn erst ins Nachbarhaus?«
    »Vielleicht war ihnen der gerade Weg zu einfach«, erwog Seiler.
    »Es gibt eigensinnige Menschen.«
    Der Ober wußte es besser. »Wenn sie gleich in die 177 hineingegangen wären, hätte man sie doch entdeckt.«
    »So hingegen sind sie der Polizei rechtzeitig entschlüpft«, sagte Seiler.
    »Natürlich«, sagte der Kellner. Dann stutzte er. »Man hat sie ja trotzdem erwischt!« Er überlegte eine Weile. »Da soll sich nun ein Mensch hineinfinden! Aber das mit dem Keller muß stimmen.«
    »Weshalb denn?«
    »Die Einbrecher sahen mächtig ramponiert aus. Mit Kalkflecken auf den Anzügen. Wie die Tapezierer. Von nichts wird nichts.«
    Der junge Mann hörte das nicht gern. Meine Wohnung wird gut ausschaun, dachte er resigniert. Ein Glück, daß ich jetzt nicht nachsehen kann.
    Der Kellner verschwand im Innern des Cafes, kam aber sofort wieder heraus. »Ein Brief für Herrn Seiler. Er ist in diesem Augenblick abgegeben worden.«
    Seiler riß das Kuvert auf. Das Schreiben lautete: Wir hätten einander früher begegnen sollen. Und nicht als Konkurrenten, sondern als Kompagnons. Vielleicht ein andres Mal.
    Diesmal waren Sie mir über. Meinen Respekt.
    Der junge Mann steckte den Brief ein und sah sich um. Er suchte einen Herrn mit weißem Bart und dunkler Brille. Vergebens.
    Er lief ins Cafe hinein. »Fräulein«, rief er am Büfett. »Wer hat den Brief abgegeben?«
    »Ein großer älterer Herr.«
    »Mit weißem Bart?«
    »Nein.

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