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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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»Wenn jemand den Meister sprechen will, ist es stets ein Geschäftsreisender.«
    »Ich bin keiner. Seien Sie so freundlich, und rufen Sie Ihren Gatten. Wir sind Bekannte.« Er lüftete den Hut zum zweitenmal und nannte irgendeinen Namen. Er murmelte ihn derartig, daß er ihn selber nicht verstand.
    »Zu dumm«, meinte sie. »Mein Mann ist in dieser Minute aus dem Haus. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
    Der junge Mann wiegte unschlüssig den Kopf. »Schwer zu machen. Es gibt Dinge, die man am besten nur dem erzählt, den sie angehen. Hab’ ich recht?«
    »Kann schon sein«, gab sie zu.
    »Wird er lange ausbleiben?«
    »Wenn ich das wüßte! Er wurde vor fünf Minuten angerufen.« Sie zögerte weiterzusprechen.
    »Von der Polizei?«
    Frau Külz sah den jungen Mann überrascht an.
    »Ich war bei dem Überfall in Warnemünde dabei. Das war ein Theater! Hat er Ihnen davon erzählt?«
    Sie nickte.
    »Und nun«, fuhr der junge Mann fort, »nun habe ich etwas erfahren, was damit eng zusammenhängt und Ihrem Gatten außerordentlich interessieren wird.«
    »Rufen Sie ihn doch an!« riet Frau Külz. »Er ist im Polizeipräsidium auf dem Alexanderplatz. Das Telefon steht in der Ladenstube.«
    Sie zeigte mit dem Daumen hinter sich.
    »Ach nein«, sagte der junge Mann. »Telefone haben manchmal zwei Ohren. Es wird das beste sein, ich komme nach Mittag noch einmal vorbei.«
    Als Frau Külz keine Anstalten traf, ihm spontan zu widersprechen, meinte er bekümmert: »Hoffentlich ist’s dann nicht zu spät.«
    Die Fleischersfrau besann sich. »Wissen Sie was? Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, können Sie ja hier auf meinen Mann warten! Falls es Ihre Zeit erlaubt.«
    Der junge Mann zog die Uhr und betrachtete nachdenklich deren Zifferblatt. »Ich habe zwar noch allerlei zu erledigen. Aber eine Stunde kann ich drangeben.«
    »Das ist recht«, sagte Frau Külz. Sie bugsierte ihn hinter den Ladentisch und öffnete die Tür zur Ladenstube. »Hier sieht’s ziemlich bunt aus. Unsre eigentliche Wohnung liegt im ersten Stock.«
    »Ich finde es reizend«, erklärte der junge Mann.
    »Na, na. Aber was soll man machen? Man kann ja nicht dauernd im Laden stehen und auf die Kundschaft lauern, die nicht kommt.
    Seit ich’s mit den Beinen habe, schon gar nicht!«
    Er setzte sich und ließ sich eingehend über das Beinleiden von Frau Külz informieren. Sie ersparte ihm nichts. Als sie allzu sehr ins Detail geriet, unterbrach er sie und fragte, ob jemand Geburtstag habe. »Es riecht nach selbstgebackenem Kuchen!«
    Sie lächelte zufrieden. »Es ist wegen Oskar. Ich habe schnell einen Kirschkuchen gebacken. Weil er wieder daheim ist. Und da kommen nun heute abend unsre sämtlichen Kinder und Schwiegersöhne und Schwiegertöchter. Und die bringen ihre Kinder mit! Es wird eine kleine Feier. Zirka zwanzig Personen.«
    »Glück im Winkel!« meinte er und sah sich in der Stube um.
    »Enorm behaglich haben Sie’s hier!« Sein Blick blieb über dem Ledersofa haften.
    »Das hat er mir aus Kopenhagen mitgebracht«, erzählte sie. »Ich finde das Bild ordinär. So zieht man sich als anständige Frau nicht an. So teuer sind die Stoffe nicht, daß man so sparsam damit sein müßte! Echt ist das Bild auch nicht.«
    Dann wandte sich der junge Mann mit Interesse den gerahmten Familienfotografien zu, die Anna Boleyn umgaben.
    Die Fleischersfrau bombardierte ihn mit den Vornamen der Fotografierten. Die Külzsche Verwandtschaft schlug über seinem Kopf zusammen.
    Da erklang die Ladenglocke.
    »Kundschaft«, sagte Frau Külz. »Ich muß hinaus. Hoffentlich langweilen Sie sich nicht!«
    Er griff nach einem Blatt, das auf dem Tisch lag. Es war die Allgemeine Fleischerzeitung. »Ich werde mir die Zeit schon vertreiben!«
    »Tun Sie, als ob Sie zu Hause wären«, schlug sie vor.
    »Das soll ein Wort sein«, meinte er.
    Sie strich die weißgestärkte Schürze glatt und verschwand im Laden.
    Herr Steinhövel, Irene Trübner und Fleischermeister Külz wurden von einem Oberwachtmeister in das Zimmer des Kommissars geleitet. – Der Raum war mit Menschen überfüllt. Fast zwei Dutzend ernst dreinblickende Männer standen an den Wänden. Die Männer waren paarweise gefesselt.
    Der Kommissar begrüßte die drei neuen Besucher. Er war vorzüglicher Laune. »Seien Sie nachsichtig«, bat er. »Ich habe Gäste. Aber ich wollte die Herren nicht abführen lassen, ehe ich sie Ihnen gezeigt habe.« Er wandte sich an Fräulein Trübner und an Herrn Külz. »Die Welt ist klein. Es sollte

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