Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
Magier redete zu ihr in einer Sprache, die nicht die ihre war, aber seine Worte drangen dennoch in ihre Gedanken. Es war beinahe so wie bei der Gedankenstimme Fjendurs, deren Botschaft sie ebenso erhalten hatte wie die Drachenier.
„Dein geliebter Rajin ist ganz in der Nähe“, sagte der Magier mit einer Stimme, deren Klang sie unwillkürlich schaudern ließ. „Oh, verzeih - du nennst ihn ja Bjonn Dunkelhaar. Du willst doch sicher auch, dass er von dir erfährt. Davon, dass es dir und seinem Kind gut geht.“ Der Magier kicherte, als hätte er schon vor langer Zeit den Verstand verloren. Seine Hand berührte ihren Bauch, dann wanderte sie höher; dazu murmelte er Worte, deren Bedeutung sie auch auf magische Weise nicht erfassen konnte. Worte, die aus Lauten bestanden, die sehr tief aus seiner Kehle kamen, und die sich deutlich von der Sprache unterschieden, die er bis dahin benutzt hatte.
Eine Welle des Schmerzes durchfuhr Nya. Für Augenblicke war sie nicht in der Lage, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr die Seele aus dem Körper gerissen würde …
Aber nicht nur ihre Seele, sondern auch die des ungeborenen Lebens in ihr.
Der Magier legte die Hand auf ihr Gesicht, und es war Nya, als würde sich ein ungeheures Gewicht auf sie legen, eine Last, die sie zu zerdrücken drohte. Sie konnte nicht atmen. Aber wenn es die Götter so beschlossen hatten, dachte sie, dann sollte es so sein, dann war dieser Moment vielleicht einer jener Webfehler im Schicksalsteppich, die Groenjyr, dem Gott des Jademondes, nun einmal unterliefen, wenn er zu viel getrunken hatte. Der Traumhenker sollte kommen und sie von ihrem Leib trennen – aber mit ihm gehen würde sie nicht. Sie war bereit, alles loszulassen und sich in Njordirs nasses Reich zu begeben. Dort, so war sie überzeugt, wartete der Frieden auf sie, der immerwährende Frieden des dunklen Meergrunds. Der Gedanke beruhigte sie.
Da nahm der Magier seine Hand wieder weg, und von einem Moment zum anderen war auch der unerträgliche Druck, der sie hatte ersticken wollen, nicht mehr da.
Eine Wolke aus dunklem Rauch war in der geöffneten Hand des Magiers zu sehen. Eine Vielzahl winzigster Teilchen tanzte wie ein Schwarm kleiner Fliegen durcheinander. Dann begannen diese Teilchen zu glühen. Wie glimmende Aschestücke in einem Herdfeuer, in das ein Schürhaken gefahren war.
Die Teilchen verschwanden in der Hand des Magiers, verschmolzen mit ihr und waren im nächsten Moment nicht mehr zu sehen.
„Du willst wissen, was das war?“, fragte er, und seine an sich unverständlichen Worte formten in Nyas Geist Gedanken von absoluter Klarheit. „Ein Abbild deiner Seele. Glaubst du nicht, dass dein Geliebter sich darüber freuen wird?“ Der Magier lachte schallend, und dieses Lachen hallte auf eine Weise in Nyas Kopf wider, die sie Augenblicke später völlig betäubte; eine so bleierne Müdigkeit überfiel sie, wie sie die junge Frau noch nie zuvor gespürt hatte.
Dann war da nur noch Dunkelheit.
Schwärze, die sich wie eine immerwährende Nacht über ihre Seele legte.
Sie hörte noch, wie die Tür ihres Gefängnisses geschlossen wurde. Aber schon vorher war es so stockfinster um sie, als wäre sie erblindet.
Ein kaiserlicher Diener brachte einen Käfig mit einer Zweikopfkrähe herbei. Diese Art Vogel war dafür bekannt, dass er zuverlässig Botschaften überbrachte und für magische Beeinflussung leicht empfänglich war.
An einem mit kunstvollen Schnitzereien verzierten und sehr zierlich wirkenden Tisch, der fest im Gondelboden verankert war, hatte sich der Magier Ubranos niedergelassen. Der Tisch war ebenso wie der dazugehörige Diwan aus dem besonders leichten Holz des Vogelknochenbaums aus den Wäldern Tembiens, der östlichsten Provinz Feuerheims, gefertigt, das sich aufgrund seines geringen Gewichts auch bei den Luftschiffbauern von Tajima äußerst großer Beliebtheit erfreute. Die Schnitzereien zeigten größtenteils Drachenköpfe.
Der Magier entrollte ein besonderes Pergament, das aus der Haut eines mindestens zweihundertjährigen magusischen Fünfhornbisons gefertigt war. Diese achtbeinigen, einem hausgroßen Wollknäuel mit fünf Hörnern ähnelnden Geschöpfe lebten im Hochland von Ktabor in Mittel-Magus, einer Gegend, die man auch ›Das Land der leuchtenden Steine‹ nannte. Das Licht dieser Steine war es, so die gängige Meinung der Magiermeister, die so manchem dort lebenden Geschöpf
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