Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
gefährlich sein könnte.“
„Nein, das glaube ich nicht“, meinte der Weise Liisho. Er rieb sich die Hände. „Mal abgesehen von der lausigen Kälte, die hier herrscht.“ Er würdigte Shiiyyoom keines Blickes mehr. „Lasst uns zur Höhle zurückgehen. Je schneller es uns gelingt, das kosmische Tor zu öffnen, desto sicherer werden wir von hier fortkommen und Katagis Schergen doch noch entwischen.“
„Du sagst ›wir‹?“, stellte Bratlor überrascht fest. „Welche Rolle hast du denn uns dabei zugedacht?“
Liisho musterte Bratlor. „Dir ursprünglich gar keine, wie du dir ja wohl denken kannst. Aber man kann sich seine Verbündeten nicht immer aussuchen, und im Moment bin ich leider in der Situation, die Hilfe eines jeden annehmen zu müssen, um Rajins Leben zu retten – und damit die Hoffnung der Welt zu erhalten.“
Liisho drehte sich um und schritt in Richtung des Eingangs der Orakelhöhle.
„Große Worte!“, rief Bratlor. „Ihr habt einmal versucht, das Tor ohne die Kraft des Mondlichts zu öffnen, und es ist Euch nicht gelungen. Und wie soll es jetzt geschehen, da wir von einem Nebel eingehüllt sind, der so dicht ist, dass man heute Nacht weder den Meermond noch irgendeinen anderen Himmelskörper sehen wird?“
Liisho war nach wenigen Schritten stehen geblieben und drehte sich ärgerlich um. „Ist das die Art, wie Seemannen sich Mut machen, bevor sie auf Beutefahrt gehen, um Seemammuts zu erlegen? Indem sie sich immer wieder vorhalten, dass alles schiefgehen wird und sie ohnehin viel zu schwach sind, um so etwas zu vollbringen?“ Liisho machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Meister Liisho, sieh nur!“, fuhr Rajin dazwischen. Er deutete auf das Juwel über dem Höhleneingang. Es leuchtete pulsierend auf.
Liisho ließ den Blick suchend durch den Nebel hinein schweifen. „Da ist irgendeine Kraft am Werk, die …“ Er sprach nicht weiter.
Eine dunkle Säule schälte sich aus dem Nebel hervor. Es war die überlebensgroße Gestalt des Vermummten – höher als der höchste Mast im Hafen von Winterborg gewesen war!
„Fjendur!“, murmelte Rajin.
Er trat dem Vermummten ein paar Schritte entgegen. Die Linke legte sich dabei um den Griff des leichten drachenischen Schwertes, das er im Gürtel trug. Doch es war ihm durchaus klar, dass weder Feuerheimer noch drachenischer Stahl etwas gegen einen Gott wie Fjendur auszurichten vermochten.
„Zurück, Rajin!“, rief Liisho, dem die ganze Situation nicht geheuer war.
„Nein, es hat keinen Sinn, Fjendur ausweichen zu wollen!“, widersprach Rajin. „Er würde uns überall finden, denn er ist ja bereits in unseren Gedanken …“
Sehr richtig!, dröhnte die Gedankenstimme des Gottes, und seine Worte hallten auf eine gleichermaßen unangenehme wie erhaben wirkende Weise in Rajins Schädel und auch in den Köpfen seiner beiden Begleiter wider. Es schmerzte, aber Rajin ließ sich nichts anmerken. Er wollte sich diese Blöße nicht geben und auf keinen Fall den Eindruck erwecken, er wäre leicht zu beeindrucken – wer immer sich ihm da auch nähern mochte.
Seltsamerweise wurde die Gestalt des Vermummten immer kleiner, je weiter sie sich näherte. In einem Abstand von einer halben Schiffslänge hatte sie gerade noch die Größe der besonders kräftig gebauten Männer Winterborgs, wie etwa Kallfaer Eisenhammer. Als der Vermummte noch näher kam, fragte sich Rajin unwillkürlich, ob sich unter den zahlreichen Schichten aus Gewändern, Tüchern und Stoffbahnen, in die sich der Gott der Kälte gewickelt hatte, nicht vielleicht in Wahrheit ein halbwüchsiger Junge verbarg, so schmal wirkten seine Schultern und so schmächtig seine ganze Erscheinung.
„Sei gegrüßt, Fjendur“, sagte Rajin.
Bratlor trat neben ihn. Der Sternenseher legte eine Hand auf den Schwertgriff und schien den Oberkörper darauf zu stützen. Das war keine eindeutig kriegerische Pose, und doch signalisierte sie Kampfbereitschaft. Die in Lumpen gehüllte Gestalt des Vermummten wirkte alles andere als göttlich. Nicht der allgewaltige Gegenspieler Njordirs schien da vor ihnen zu stehen, sondern das bis auf die Knochen abgemagertes Gerippe eines halbwüchsigen Kindes, in zahlreiche Stoffbahnen eingewickelt. Das, was sich unter den stockfleckigen, teilweise zerrissenen und von Löchern übersäten Tüchern und Stoffstreifen befinden mochte, blieb der Fantasie des Betrachters überlassen, denn es ragten weder Hände daraus hervor, noch war etwas vom Gesicht zu sehen, das
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