Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
außergewöhnliche Eigenschaften verlieh – und hin und wieder galt das über den Tod des betreffenden Geschöpfes hinaus.
Ubranos strich das Pergament mit großer Sorgfalt glatt nachdem er es entrollt hatte. Mit dem Finger malte er ein unsichtbares Zeichen darauf und murmelte dazu einige Worte in der Sprache der Magier.
Dann hielt er seine geöffnete rechte Hand wie einen Schirm über das Blatt. Myriaden kleiner schwarzer Teilchen drangen aus der Mitte seiner Handfläche hervor, lösten sich daraus, so als würde die Hand zu Staub zerfallen. Die feinen schwarzen Körnchen glühten auf, während sie mit unnatürlicher Langsamkeit auf die Oberfläche des Pergamentes zustrebten und sich dort verteilten.
Nachdem das geschehen war, schloss der Magier seine Hand.
Und sagte einen Namen.
„Nya.“
Das Gesicht der jungen Frau erschien auf dem Pergament. Es wirkte so lebensecht, wie es nicht einmal die Meister in den Küstenstädten des drachenischen Neulandes mit ihren Pinseln und Farben zu schaffen vermochten. Dabei waren die Malerschulen von Etana und Jandrakor berühmt und ihre Werke von so hoher Kunstfertigkeit, dass man sie zunächst für die Ergebnisse von Zauberei gehalten hatte. Innerhalb der Priesterschaft des Unsichtbaren Gottes war ein generationenlanger und noch immer nicht entschiedener Streit darüber entbrannt, ob diese Art der Malerei nun einen Frevel darstellte oder nicht.
Aber das, was Ubranos auf dem Fünfhornbison-Pergament erscheinen ließ, stellte all das in den Schatten – was nicht zuletzt daran lag, dass sich das Bild der jungen Frau bewegte.
Kaiser Katagi, der den Magier mit skeptischem Blick während der gesamten Prozedur beobachtet hatte, sackte die Kinnlade herab, und er vergaß eine ganze Weile, den Mund wieder zu schließen. Ubranos nahm das mit Genugtuung zur Kenntnis. Es war sicher nicht schlecht, wenn Katagi etwas Respekt vor seiner Kunst gewann.
Die junge Frau redete in ihrer Barbarensprache. Ubranos rollte das Pergament zusammen, woraufhin die Stimme der jungen Barbarin erstarb. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Nun, könnt Ihr Euch vorstellen, dass dies auf Rajin Eindruck machen wird?“
Der Kaiser gab sich betont kühl und unbeeindruckt, auch wenn es längst zu spät war, so zu tun, als hätte ihn diese Vorführung magischer Kunst nicht in ihren Bann geschlagen. „Ich bin kein Magier und habe deshalb auch keine Vorstellung davon, wie stark das Band zwischen den beiden tatsächlich ist.“
„Es ist stark“, versicherte Ubranos. „Sehr stark. Ein so starkes Band, dass Ihr Rajin damit werdet erwürgen können, wenn alles nach meinem Plan verläuft.“
Ubranos steckte das Pergament in eine zylinderförmige Lederschatulle, die eigens dafür gefertigt war, am Leib einer Zweikopfkrähe befestigt zu werden.
„Öffnete den Käfig!“, wies Ubranos den Diener an.
Der Diener gehorchte.
Die Zweikopfkrähe hüpfte aus dem Käfig, flatterte empor und landete in der Mitte des Tisches. Die beiden Köpfe des Vogels bewegten sich ruckartig. Kurz hintereinander drangen krächzende, nach Aufmerksamkeit heischende Laute aus beiden Schnäbeln.
„Komm her, mein treuer Diener“, sagte Ubranos. „Komm her und überbringe diese Nachricht an den, den ich dir zeigen werde!“
Er starrte die beiden Vögelköpfe an, und sie schienen auf einmal vollkommen gebannt zu sein. Seht, was ich sehe - denkt, was ich denke - wisst, was ihr wissen müsst …
Wenig später wurde ein Fenster geöffnet, und die Zweikopfkrähe flog hinaus und auf den Nebel zu. Sie krächzte mit ihren zwei Schnäbeln einen dissonanten Akkord nach dem anderen, und man hörte sie noch eine ganze Weile. Ubranos trat auf den Balkon hinaus, um ihr hinterher zu schauen, so als wäre er nicht sicher, ob das Tier nicht auch vom Nebel beeinträchtigt wurde.
„Und Ihr glaubt wirklich, dass sich Rajin darauf einlassen wird?“, fragte Kaiser Katagi, nachdem der Magier ins Innere der Gondel zurückgekehrt war.
„Das wird er“, versprach Ubranos. „Verlasst Euch darauf.“
7. Kapitel:
Im Licht des Meermondes
„Es ist kein Leben mehr in ihm“, stellte Bratlor fest und deutete auf den Drachen, dessen Schreie und schließlich auch Röcheln nach kurzer Zeit verstummt waren. Fjendur hatte sich in diesem ungleichen Kampf als der Stärkere erwiesen.
„Der Traumhenker hat die Seele des Drachen vom Leib getrennt“, stimmte Rajin zu. „Und ich frage mich, ob dieser Nebel auch für uns
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