Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
Schnauze.“ Deflandre sah ein, dass es besser war zu schweigen.
Jemand klopfte an die Bürotür. „Ich habe doch gesagt, wir wollen nicht gestört werden“, raunte van den Berg. Es war Freddy De Breuyn, der vor der Tür stand und von der Anweisung offensichtlich nichts mitbekommen hatte. Van den Berg bat ihn herein. „Ich hoffe, du hast was Brauchbares. Das könnte die dicke Luft hier drin vertreiben.“ „Ich habe mich an unser Phantom gehängt. Er ist tatsächlich ein ganz großes Fragezeichen. In dem Verlag kennt ihn kaum noch jemand. Es gibt zwei Leute da, die mit ihm zu tun hatten, das war´s. Dann habe ich die Nachbarn gesucht, die damals in seiner Umgebung wohnten, ich habe dir die Kontaktdaten auf den Schreibtisch gelegt.
„Gute Arbeit“, lobte van den Berg. „Das Beste kommt doch noch.“ De Breuyn zögerte die Antwort extra ein Weilchen hinaus. Er wusste von den Frotzeleien auf den Fluren über ihn, den schrägen Vogel. Wenn seine akribischen Recherchen wieder einmal etwas Wichtiges zutage gefördert hatten, rächte er sich für die Gemeinheiten. „Erzähl schon“, rief Deflandre, der zu den größten Lästermäulern gehörte.
De Breuyn zog sein Mobiltelefon aus der Tasche. Die Polizisten schauten sich fragend an, Nicole schaltete am schnellsten. „Du hast seine Mobilnummer?“ „Exakt!“ Die triste Stimmung in van den Bergs Büro schlug blitzschnell in Euphorie um. „Dann wollen wir mal schauen, wo sich unser Freund rum treibt“, meinte van den Berg freudig erregt. Den Aufenthaltsort eines Flüchtigen per Handy zu ermitteln, war eine gängige Fahndungsmethode. Gleich der erste Versuch funktionierte, Grangé war geortet.
Als van den Berg hörte, dass sich der Gesuchte an der belgischen Küste herumtrieb, musste er an Marie denken und an De Haan. Er fragte sich, was sie gerade machte, was sie sagen würde, wenn er sie anrief. Würde er durchdrehen, wenn sie miteinander sprachen?
Van den Berg war erleichtert, als sich herausstellte, dass Grangé an einem anderen Küstenabschnitt unterwegs war. Er war in De Panne, einem lebhaften Ort an der französischen Grenze, wo viele Familien Kurzurlaub machten.
Sie hielten es für das Beste, sofort loszufahren, in einer Stunde würden sie dort sein. Sie debattierten noch kurz darüber, ob Nicole die Fahrt ans Meer mitmachen sollte.
Van den Berg wollte vermeiden, sie einem hohen Risiko auszusetzen, die Psychologin versprach, bei Gefahr im Verzug aus der Schusslinie zu bleiben. Der Kommissar wusste, dass die Psychologin ihm von großem Nutzen sein konnte, wenn sie Grangé schnappten. Sie nahmen den großen Peugeot, van den Bergs Dienstwagen. Deflandre übernahm das Steuer, Nicole und van den Berg setzten sich nach hinten, um ihre Vorgehensweise zu beraten.
Nicoles Blick fiel auf eine halbe Rolle Kekse, die hinten auf der Ablage hin und her rollte. „Futterst du nicht immer diese Sorte?“ Van den Berg fühlte sich ertappt. „Die hab ich hier wohl liegen gelassen.“ Es dauerte keine zwei Minuten, bis der Kommissar die letzten fünf Kringel verputzt hatte. Nicole und Deflandre beobachteten ihn interessiert dabei und amüsierten sich über seinen Heißhunger auf Süßkram.
Der junge Polizist war für seinen wilden Fahrstil berüchtigt - Deflandre hatte sich schon Anzeigen von Autofahrern eingehandelt, die sich von seinen waghalsigen Überholmanövern provoziert fühlten und sich bei seinem Vorgesetzten beschwerten. Van den Berg rüffelte seinen Kollegen regelmäßig, wenn er mit mehr als 200 Sachen über die Autobahn jagte. Jetzt aber ließ der Kommissar ihn gewähren. Er wollte diesen Grangé aufspüren, und das möglichst schnell. Es war die einzige Erfolg versprechende Fährte, die sie hatten, er durfte ihnen nicht durch die Lappen gehen – auf gar keinen Fall. Als sie in De Panne ankamen, waren nur wenige Menschen auf den Straßen unterwegs, der anhaltende Nieselregen hatte den Urlaubern die Lust auf ausgedehnte Spaziergänge vermiest. Es war nicht schwer, die Pension „Aan Zee“ zu finden.
Die schlichte Herberge unterschied sich kaum von den anderen grauen Häusern in der Umgebung. Van den Berg und Nicole betraten das Hotel durch die offene Tür. Deflandre blieb draußen und beobachtete das Gebäude von der Seite aus, sodass er gleichzeitig auch den Hintereingang im Auge hatte. Das bescheidene Foyer an der Rezeption machte zwar einen einfachen aber gepflegten Eindruck. Am Empfang saß ein Mann, der mindestens siebzig sein musste.
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