Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
immer nur aus allem ein Problem machen? Er zerknüllte das Blatt Papier und warf es mit einem breiten Grinsen in den Aschenbecher. Dann ging er zum Spiegel und stylte sein Haar.
Hugo war außer sich. Es war unverzeihlich, dass sie Jorge lebend in die Finger bekamen. Der Befehl war unmissverständlich. Wenn er in der Falle saß, musste er sich selbst töten. Hugo war sich sicher gewesen, dass Jorge gehorchen würde, nie hatte er ihm widersprochen. Aber der Riese hatte sich entschieden, am Leben zu bleiben und war er in den Fängen der Bullen. Würde er auspacken, wenn sie ihn folterten? Hugo glaubte nicht, dass er weich würde, aber er war sich nicht sicher. Er musste etwas unternehmen.
Die Sonderkommission trat am Vormittag zusammen. Van den Berg begann einzusehen, dass er den Fall nicht alleine stemmen konnte. Die Federführung musste bei ihm bleiben, aber ohne die Unterstützung der Kollegen ging es nicht mehr. Die drei toten Mädchen hielten das ganze Land in Atem, seit dem Fall Dutroux hatte nichts mehr so hohe Wellen geschlagen.
Der Kommissar war hochkonzentriert, als er an der Tafel mit Filzstift Pfeile und Kommentare zwischen die bereits eingezeichneten Namen kritzelte. Die Polizisten im Besprechungszimmer redeten durcheinander, jeder musste etwas loswerden. Keiner schien zu merken, dass van den Berg ungeduldig darauf wartete, dass sie endlich die Klappe hielten.
Der Kommissar schlug mit der Kante des Stiftes heftig auf die Tischplatte. „Ich brauche hier wohl niemanden daran zu erinnern, dass wir schnelle Erfolge brauchen. Ihr seid ja selbst an der Journalistenmeute vorbeigelaufen und lest jeden Tag die Zeitung. Wir wissen nicht, ob der Spanier der Mörder der drei Mädchen ist. Wir wissen aber, dass er mit der Sache zu tun hat. Wir glauben nicht, dass er alleine handelt, aber sicher wissen wir das nicht.“
Nicole meldete sich zu Wort. „Ich habe mir den Typen am Krankenbett gründlich angeschaut. Das ist nicht unser Mann! Jedenfalls ist er es nicht allein. Die perverse Handschrift, die Nachthemden, die Tätowierungen und das Gift – das passt irgendwie nicht zu dem – er ist viel zu straight.“ Van den Berg nickte. „Jorge Ramos ist wahrscheinlich nur ein kleines Rädchen in dem Spiel. Die Hauptfigur ist irgendwo da draußen. Das ist unser Problem, und das sollten wir schnell lösen.“
De Breuyn meldete sich zu Wort. Er war der Einzige in der Runde, der wie in der Schule den Finger hob. Der kauzige Polizist sagte selten etwas in großer Runde, aber wenn er es tat, hatte er immer etwas Wichtiges beizutragen. „Es gibt weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Mädchen. Alle drei wurden zwanzig Jahre alt, kurz bevor sie starben und sie sind alle seit fünf Jahren vermisst gewesen.“
Marc nickte und fuhr kurz dazwischen: „Wenn die Mädchen miteinander zu tun gehabt hätten, könnten wir mehr damit anfangen. Wenn sie Schulfreundinnen wären oder man sie zusammen verschleppt hätte. Aber es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass sie sich auch nur flüchtig kannten“, sagte van den Berg nachdenklich.
„Aber De Breuyn hat schon recht: Warum mussten die Mädchen an ihrem zwanzigsten Geburtstag sterben? Und warum sind sie alle vor fünf Jahren verschwunden?“ De Breuyn war nervös, er schwitzte. Der Polizist hatte den ganzen Vormittag recherchiert und etwas zutage gefördert, dass dem Fall eine neue Dimension gab. „Ich habe die Vermisstenlisten von 2005 durchgekämmt.“ Er machte eine kurze Pause und schaute betroffenen in die Runde.
„In diesem Jahr gab es in Belgien etwa doppelt so viele Anzeigen wie in den Jahren zuvor. Die Zahl der aufgeklärten Fälle ist allerdings nicht höher als in den anderen Jahren.“ Den Polizisten wurde schlagartig bewusst, was De Breuyn da gerade gesagt hatte. „Wie viele Vermisste waren es mehr in 2005?“, fragte van den Berg nervös. „Je nach dem, welches Jahr man zum Vergleich nimmt, zwischen fünf und zehn.“
Van den Berg setzte sich. „Allein in Belgien“, setzte De Breuyn nach. „Was heißt das? Allein in Belgien.“ „Ich habe unter anderem die Kollegen in Moskau und in Kiew angerufen. Auch in Russland und der Ukraine hat es 2005 mehr Vermisstenmeldungen als üblich gegeben. Ich habe aber noch keine Zahlen.“
Van den Berg stand wieder auf. „Das ist ja der reinste Horror. Wenn diese Zahlen mit unserem Fall zu tun haben, dann …“ „Dann werden wir vor jeder Brüsseler Kirche bald eine Mädchenleiche
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