Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
Rennen in England, Frankreich und Südafrika.
In dieser Zeit übernahm die Wettleidenschaft die Kontrolle über ihn. Sein Bankkonto war längst hoffnungslos überzogen, bei seinen Freunden stand er mittlerweile mit 20.000 in der Kreide.
Als er auf dem Hippodrome eintraf, pfiff ein rauer Wind über die Bahn und es nieselte. Der graue Strickpullover und die dünne Lederjacke waren eindeutig zu dünn für die Jahreszeit. Aber er bereute keine Sekunde, den Trip an die Küste gemacht zu haben. Er besorgte sich Kaffee, ein Stück Käsekuchen und eine Rennzeitung, in der alle Starter aufgelistet waren.
Van den Berg ging auf die Bahn, wann immer er konnte. Live dabei zu sein, war eine viel stärkere Droge, als vor den Monitoren in den miefigen Wettbüros zu sitzen oder zu Hause vor dem Rechner. Die Pferde wechselten ständig, aber die Jockeys kannte er fast alle. Er studierte, bei welchen Bodenverhältnissen die Pferde ihre beste Form zeigten. „Maison“ schien ein Spezialist für schwieriges Geläuf zu sein. Er sehnte ein Erfolgserlebnis herbei, entschied sich gegen eine Zweier-Wette und setzte seinen Favoriten mit 50 Euro auf Sieg.
Es waren noch zehn Minuten Zeit bis zum Rennen. Van den Berg setzte sich in die Nähe der Ziellinie zwischen zwei elegant gekleidete Damen mit großen Hüten. Er dachte nach. Wenn wir den Spanier folterten, bekämen wir schon raus, was er weiß. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er sich bei seinen radikalen Gedanken ertappte. Der Kommissar war eigentlich ein Gegner brutaler Verhörmethoden, aber ihm war klar, dass sie auf normalem Wege nichts aus Jorge herausbekämen.
Der Bahnsprecher kündigte den baldigen Start des Rennens an. Van den Bergs Hände wurden feucht, nervös warf er einen Blick in sein Programmheft. Sein Pferd trug die Nummer acht, der französische Jockey war gut an seiner schwarzen Jacke mit den goldenen Ärmeln zu erkennen.
Das Rennen startete. Maison kam ganz schlecht aus den Startboxen, lief als Vorletzter um die erste Kurve. Van den Berg schrie so laut er konnte: „Maison, Maison!“ Die feinen Damen neben ihm schauten irritiert, als sie in sein rotes fanatisches Gesicht blickten. Der Kommissar war kurz davor, seinen Wettschein zu zerreißen, aber auf der Zielgeraden kam Maison in Fahrt.
Der Jockey mit den goldenen Ärmeln trieb sein Pferd mit dem vollem Einsatz seiner Beine und der Peitsche an. Eine Kopflänge lag Maison nur noch hinter dem Führenden. „Jetzt komm schon“, schrie van den Berg wie von Sinnen. Aber der Endspurt kam zu spät, der Konkurrent rettete sich mit kurzem Kopf als Sieger ins Ziel. „Scheiße, so ein Dreck“, brüllte der Kommissar. Er war nahe dran, völlig außer Kontrolle zu geraten, zerkleinerte seinen Wettschein und fluchte auf Jockey und Pferd, die ihn so bitter enttäuscht hatten. Van den Berg schlurfte zur Kaffeebude. Er hatte sich wieder beruhigt, als sein Telefon schellte.
„Jorge ist weg“, flüsterte Deflandre, der seltsam ruhig klang. Der Kommissar glaubte erst, sich verhört zu haben. „Sag das noch mal!“ „Er ist weg, irgendwie ist es ihm gelungen, die Wachen außer Gefecht zu setzen.“ „Ich glaube, ich werde bescheuert“, antwortete van den Berg erregt. Seine Absicht, noch auf zwei weiteren Rennen zu wetten, verwarf er im gleichen Augenblick, auch wenn es ihm schwerfiel. Fünf Minuten nach dem Telefonat mit Deflandre saß er wieder in seinem MG.
Nicole Vandereycken galt unter den Kollegen als ein Superweib. Sie war nicht nur ungeheuer ehrgeizig in ihrem Job, sie sorgte dafür, dass auch ihr zweites Leben nicht zu kurz kam. Nicole brauchte nicht viel Schlaf – fünf bis sechs Stunden reichten ihr völlig. Es war kurz nach Mitternacht, als vor der In-Disko Fuse eine zwanzig Meter lange Menschenschlange darauf wartete, eingelassen zu werden.
Nicole bewegte sich elegant an der Menge vorbei, niemand schien es ihr übel zu nehmen, dass sie sich nicht hinten einreihte.
Der finstere Türsteher nickte Nicole kurz zu und setzte überraschend ein schwaches Lächeln auf, als sie wie selbstverständlich an ihm vorbeistöckelte. Nicole hatte einen feuerroten Lippenstift aufgelegt, die üppige Wimperntusche verlieh ihren braunen Augen etwas Katzenhaftes. Das Rot ihres hautengen Kleides war exakt auf den Farbton ihres Lippenstiftes abgestimmt. Der Rücken des Versace-Kostüms war komplett ausgeschnitten, das Dekolleté so tief, dass es niemandem schwerfiel, die Maße ihrer stattlichen Brüste
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