Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
völlig unauffälliges Leben geführt, sie hat Tennis gespielt, war gut in der Schule.“ Van den Berg schrieb die neuen Aspekte an die Tafel. „Hatte sie einen Freund? Mit was für Leuten hing sie rum?“ „Nach dem was wir wissen, hatte sie keinen. Sie hatte zwei gute Freundinnen. Mit denen ging sie shoppen oder ins Café. Abends rausgehen haben die Eltern nicht erlaubt.“ „Und das soll die Nutte sein, die sich am Gare du Nord verkauft hat?
Was ist mit René Balbo?“ „Wieder was ganz anderes. Das Elternhaus - ziemlich kleinbürgerlich, spießig - Reihenhaus in Liège. Die ganze Familie hängt im Schrebergarten rum, wann immer sie Zeit hat. Vater Beamter, Mutter Hausfrau.“
Ist das alles?“, fragte van den Berg genervt. „Nicht ganz - das Töchterchen hatte keinen Bock mehr auf den Trott. Sie ist mit ein paar Jungs ausgebüchst und nach Oostende getrampt.“
„Nach Oostende getrampt“, nuschelte der Kommissar. „Ich glaube einfach nicht, dass das alles ist“, brüllte van den Berg mit hochrotem Kopf.
Er bereute, sich nicht selbst um René Balbo und Dorothee Lerisse gekümmert zu haben und beschloss, das schnell nachzuholen. Sie mussten herausfinden, wo und wie die Mädchen mit ihrem Mörder in Kontakt kamen. Wenn sie Jorge nicht zu fassen kriegten, war das ihre einzige Chance.
Van den Berg und Deflandre nahmen den MG. Der Kommissar fuhr einen kleinen Umweg zum Grand Sablon und hielt geradewegs vor dem Laden von Pierre Marcolini, dem feinsten Chocolatier der Stadt. Betuchte Brüsseler und Touristen waren ganz versessen auf die exklusiven Schokoladen, die ein kleines Vermögen kosteten. Er verdrehte genervt die Augen, als sein Chef aus dem Auto stieg. „Du kannst schon mal Nicole anrufen. Sag ihr, wir treffen uns in Liège am Rathaus. Sie soll sich beeilen.“ Deflandre ließ lange klingeln, ehe er eine Antwort bekam. „Wo steckst du denn? Ich störe doch hoffentlich nicht?“ fragte Deflandre mit einem sarkastischen Unterton. „Du doch nicht! Was gibt´s?“, erwiderte Nicole schroff. Sie war gerade dabei, aus dem Hotel Conrad auszuchecken.
Jorge Ramos lauerte hinter einer Mülltonne auf dem Parkplatz des Delhaize. Das Ehepaar, das gerade im Laden verschwunden war, würde ihn aus der Stadt raus bringen. Sie waren die perfekte Wahl. Er wartete. Voll bepackt mit Tüten schleppten sich die Rentner keine zehn Minuten später durch den Ausgang.
Als sie in den grauen Volvo einstiegen, zog Jorge die Pistole, die er den Beamten auf seiner Flucht geklaut hatte. „Keinen Mucks“, befahl er den beiden. Die Frau war kurz davor, ohnmächtig zu werden. Er wies den Mann mit knappen Worten an, auf die Autobahn Richtung Liège zu fahren. Jorge wusste, dass sie kontrolliert werden würden. Aber wenn die Alten mitspielten, dann würde alles glattgehen.
Einen Kilometer vor der Autobahnauffahrt hatte die Polizei eine Kontrollstation errichtet. Jorge musste geduldig sein, denn der Verkehr ging nur langsam vorwärts. Er konnte sehen, dass sie einen alten Opel herauswinkten und gründlich filzten. Zwei Autos waren noch vor ihnen, dann waren sie an der Reihe.
„Wenn du einen Fehler machst, knalle ich deine Frau ab, verstanden?“ Dann versteckte sich Jorge unter den vielen Einkaufstüten. Der Volvo hielt vor dem Polizisten, der Mann kurbelte hektisch die Scheibe herunter. „Guten Tag, Ihren Personalausweis bitte.“ Der Fahrer reichte dem Beamten die Papiere. „Ist ihnen im Laufe des Tages dieser Mann begegnet?“ Der Polizist deutete auf das Foto, das Jorge im Krankenhaus zeigte. Das erblasste Ehepaar schüttelte beinahe im Gleichtakt den Kopf. Der Polizist kontrollierte den Kofferraum und leuchtete mit seiner Taschenlampe in den Wagen. Dann wünschte er eine gute Fahrt.
„Wusste ich doch, dass ihr meine Retter seid“, rief Jorge triumphierend. „Was machen sie mit uns?“, fragte der Mann leise. „Hab ich doch gesagt – ihr fahrt mich nach Liège. Wenn alles glattgeht, lasse ich euch laufen.“
Auf der Autobahn achtete Jorge genau auf die Autos um sie herum. Plötzlich erschrak er und duckte sich. Da war der MG des Kommissars – er war sich ganz sicher. Der Wagen war ihm ganz genau beschrieben worden. Von diesem Typ gab es nicht so viele, und er meinte sich auch an das Nummernschild zu erinnern. Was machte der Kommissar auf dieser verdammten Autobahn? War das nur ein beschissener Zufall oder wussten sie, wo er war? Als sich der Roadster immer mehr entfernte und alles um ihn
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